Rom bleibt hart im Haushaltsstreit mit EU
Italiens Regierung hat ihren Haushaltsentwurf ohne Modifizierungen bei der EU-Kommission eingereicht. Diese hatte vor drei Wochen erstmals das Budget eines Mitgliedslandes abgelehnt und Korrekturen verlangt. Insbesondere wegen der Neuverschuldung von 2,4 Prozent droht Italien ein Defizitverfahren. Eskaliert der Streit zwischen Rom und Brüssel?
Bestrafung Italiens ist riskant
Brüssel darf die Gründe für den Haushaltsstreit nicht ignorieren, warnt Naftemporiki:
„Italiens Regierung ist nicht durch einen Unfall bei den Wahlen zustande gekommen, wie manche glauben wollen. So etwas passiert, wenn anhaltender Druck die Wählerschaft gegen das Establishment aufbringt. Die Angst der kleinen und mittleren Unternehmen vor Ungleichheit, Migration und Korruption hört nicht auf, solange keine echten Antworten gegeben werden. ... Trotz ihrer Drohungen sind der Kommission die Hände gebunden, da in Italien Geldbußen symbolhaft für die Probleme der EU stehen. Wenn die Menschen das Wort 'Brüssel' mit 'Bestrafung' assoziieren, sollte man sich nicht wundern, wenn sie so wählen, dass sie dieser Bestrafung entgehen.“
Währungsunion wird nicht zerbrechen
Vieles deutet auf einen Kompromiss im Haushaltsstreit zwischen Brüssel und Rom hin, kommentiert Michał Kleiber in Rzeczpospolita:
„Besteht die Gefahr, dass Italien aus der Währungsunion fliegt? Das ist schwer vorstellbar angesichts der Investitionen französischer und deutscher Banken in Italien - also Banken der beiden Länder, die in der Eurozone den größten Einfluss ausüben. Die Investitionen dieser Banken in Italien überschreiten die Summe von 500 Milliarden Euro deutlich. Für sie würde der Ausstieg Italiens aus der Eurozone enorme Verluste bedeuten. Auch wenn viele Beobachter eine schwere Krise bevorstehen sehen, die zum Zusammenbruch der Währungsunion führen könnte, scheint ein Kompromiss wahrscheinlicher.“
Problem ist nicht finanzieller Natur
Es geht in diesem Streit nicht um ein paar Zahlen hinter dem Komma, erklärt der Wirtschaftsexperte Roberto Sommella in Huffington Post Italia:
„Brüssel und Rom gebären sich wie Tiger wegen ein paar Milliarden Euro Abweichungen im Haushaltsplan. ... Die einen drohen laut brüllend mit Defizitverfahren und Geldstrafen, was die anderen mit ohrenbetäubender Gleichgültigkeit quittieren. Doch keiner von beiden spricht die wirklichen Probleme an, die drohen, wenn man Europa implodieren lässt und Italien in die Rezession schickt. ... Kann das Problem Europas heute wirklich darin bestehen, dass die italienische Defizitquote bei 2,4 statt bei 1,6 Prozent liegt? Jean-Claude Juncker und Co. haben es nicht auf das Haushaltsgesetz Roms abgesehen, sondern auf die italienische Regierung selbst. Denn sie befürchten, dass Italien eine Welle neuer Exits provozieren könnte und selbst dabei den Anfang macht.“
Brüssels Spielraum schrumpft rasant
Mit einer baldigen Beilegung des Konflikts ist nicht zu rechnen, glaubt Ökonom Jacques Sapir im Debattenportal Les Crises:
„Dieser Totentanz wird mit Sicherheit noch bis zur Europawahl andauern. Weder Rom noch Brüssel wollen einen Bruch herbeiführen. Der Handlungsspielraum Brüssels schrumpft jedoch von Woche zu Woche. Gibt Brüssel den italienischen Forderungen Recht, bricht das gesamte wirtschaftliche Bestrafungssystem der EU in sich zusammen. Andere Länder warten nur darauf, davon zu profitieren. Bleibt Brüssel hingegen weiterhin hart, wird die Krise offen ausbrechen. Brüssel würde dann als schuldig betrachtet werden. Und Italien als Netto-Zahler würde die Situation für eine Gesamtabrechnung nutzen.“
Kommission drängt Rom in die Ecke
Mit der andauernden Ablehnung ihres Haushalts, schränkt Brüssel die Möglichkeiten der italienischen Regierung zu stark ein, kritisiert der politische Berater Péter Àkos Hutás, der für die ungarische Regierung arbeitet, bei Mandiner:
„Es ist offensichtlich, dass Brüssel wieder einmal mehr von politischen als von sachlichen Gründen geleitet wird. Brüssel versucht, die italienische Regierung in die Ecke zu drängen, um zu erreichen, dass sich ihre internen Konflikte endgültig vertiefen. Darüber sind sich aber natürlich auch die beiden Parteien im Klaren und denken darum ausschließlich bis zu den Europawahlen im Mai. Wenigstens bis dahin müssen sie die Regierung zusammenhalten. Was danach passiert, hängt sehr vom Ausgang der Wahlen ab. Denn im Mai werden die Karten neu gemischt.“
Italien muss in Wachstum investieren können
Die EU und Italiens Gläubiger sollten sich weniger hart zeigen und dem Land die Chance geben, durch kluge Investitionen die Wirtschaft anzukurbeln, rät Financial Times:
„Die einzige noch realisierbare Option ist die, Italiens Schuldenrückzahlungen zu reduzieren. Das würde Freiraum schaffen, die Ausgaben zur Modernisierung der Wirtschaft zu erhöhen, ohne damit Haushaltsdefizit und Schulden zu vergrößern. Wenn mehr in die Infrastruktur investiert und sichergestellt wird, dass Reformen umgesetzt werden, können die derzeit verschwindend geringen Wachstumsraten des Landes wieder steigen. Das wiederum wird in der Zukunft die Schuldentragfähigkeit verbessern. Wenn die Wirtschaft nicht wächst, wird es unvermeidbar sein, einen substanziellen Teil der italienischen Schulden abzuschreiben.“