Braucht die Reform der Währungsunion mehr Tempo?
Die Finanzminister der Eurogruppe haben sich auf eine Reform der Währungsunion geeinigt. Der Euro-Rettungsschirm ESM soll gestärkt werden, um den Euro besser gegen Krisen zu wappnen. Macrons Reformvorschläge, unter anderem zum Eurozonen-Haushalt, sollen weiter diskutiert werden. Einige Kommentatoren zeigen sich enttäuscht über den Minimalkonsens. Andere sind froh, dass es nur langsam vorangeht.
Im Ernstfall sind Regeln sowieso nichts wert
Eine große Reform ist das bei weitem noch nicht, moniert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Viele seit langem strittige Details der ins Visier genommenen Reformen sind immer noch offen - und in die Zukunft geschoben worden. ... Auch die künftige Entscheidungsstruktur für die Bewilligung von ESM-Krediten für die Bankenabwicklung ist noch nicht abschließend geklärt. ... Wie das deutsch-französische Prestigeprojekt eines Eurozonen-Haushalts dereinst aussehen soll, ist so unklar wie eh und je. Wahrscheinlich ist übrigens ohnehin nicht entscheidend, ob und wie über diese Punkte letztlich entschieden wird. Im Ernstfall - egal ob im Falle einer Staatspleite etwa in Italien oder bei einer Bankenkrise - sind die noch zu beschließenden Regeln nach alter EU-Sitte wahrscheinlich ohnehin nicht viel wert.“
Europa bewegt sich in die richtige Richtung
El País bezeichnet die Einigung der Euro-Finanzminister als süß-sauer:
„Süß, weil die Finanzminister zwei Vereinbarungen getroffen haben, die die Verteidigung des Euro verbessern. ... Trotz ihrer Formulierung in abstrusem, technisch-juristischem Jargon dienen beide Instrumente mehr den Bürgern, als den Banken. Aber das ist schwer zu vermitteln, und deshalb sind die mickrigen, mit der Geburtszange geholten Resultate auch sauer. ... Sehr ermutigend waren der Druck des französischen Ministers, der drohte, er würde seinen Sitz verlassen, wenn es keinen Durchbruch gebe, und die deutsche Entschlossenheit beim Thema europäische Arbeitslosenversicherung. Es wird unsagbare Mühen kosten, aber die Regierungschefs haben beim bevorstehenden Gipfel die einmalige Gelegenheit, beide Projekte voranzutreiben. Und damit zu beweisen, dass Europa sich bewegt. In die richtige Richtung.“
Eile mit Weile
Dass die Eurozonen-Minister sich mit großen Reformen noch Zeit lassen, findet die Presse wiederum beruhigend:
„Instrumente wie Eurobonds werden eines Tages notwendig sein, wenn der Euro eine vollwertige Alternative zum Dollar werden soll. Und davon wird jetzt ja wieder geredet. Aber aktuell braucht es keine großen Würfe. Es braucht harte Arbeit in den Hauptstädten. Es braucht Reformen und die Sanierung von Staatshaushalten. Es braucht den Beweis, dass wir uns alle an unsere eigenen Regeln halten können. Nur das kann die Unterstützung der Bevölkerung sichern - und die ist für große Schritte essenziell. Der Euroeinführung am 1. Jänner 1999 sind fast 40 Jahre an Vorbereitung vorausgegangen. Es wäre leichtsinnig, das Erreichte durch überhastete Reformen zu gefährden.“
Der Norden gewinnt die Schlacht
Der Norden, darunter die Niederlande, habe einen Sieg errungen, freut sich De Volkskrant:
„Der wichtigste Erfolg für den niederländischen Finanzminister Hoekstra und seine Hanseliga - ein Club von etwa zehn nördlichen Mitgliedsstaaten - ist die Verpflichtung zur Schuldensanierung von Euroländern, die in Zukunft Hilfe vom ESM beanspruchen wollen. ... Die Nordländer gewannen überzeugend auch die Schlacht, um europäische Banken krisenfester zu machen. ... Und dann der berühmte 'Schockfonds' [Eurozonen-Haushalt], der für Macron das Symbol für die Solidarität zwischen den Euro-Ländern ist, für Premier Rutte aber ein Gräuel. ... Was jetzt auf dem Tisch liegt, wird nach Ansicht von Hoekstra diesen südlichen Traum niemals wahr machen.“