Welches Signal sendet Papstbesuch in den Emiraten?
Als erster Papst hat Franziskus die Arabische Halbinsel besucht. In Abu Dhabi unterzeichnete er am Montag mit dem Großimam der Al-Azhar-Universität von Kairo, Scheich Ahmed al-Tajib, eine Erklärung gegen Krieg und Terror. Für Beobachter ist die Papst-Reise ein Anlass, sich die Selbstdarstellung der Vereinigten Arabischen Emirate und die Allianzen der Kirche im Nahen Osten genauer anzuschauen.
Toleranz als Kern der PR-Strategie
Der Besuch passt den Gastgebern ziemlich gut in ihr Marketing, stellt Die Welt fest:
„Denn die Vereinigten Arabischen Emirate ... positionieren sich gerade als Miniweltmacht. Sie mischen mit in den Kriegen und an den Verhandlungstischen der Region, ihre Wirtschaft expandiert und lädt Investoren ein. Und im Kern der Markenstrategie steht ein Begriff, der im Westen schon etwas überdiskutiert klingt: Toleranz. Gerade erst haben die Emire ein Toleranzministerium gegründet. ... Aber wie das bei PR so ist - sie strahlt etwas heller als die Wirklichkeit. Denn natürlich herrscht in den Emiraten keine vollständige Religionsfreiheit, jedenfalls nicht für Muslime, die ihrem Glauben abschwören wollen. ... Doch andererseits: Selbst wenn viel Kalkül dahintersteckt - ist es nicht auch gut, dass ein Land mit Toleranz für sich wirbt? Es gibt schlechtere Werbebotschaften.“
Kirche darf sich nicht mit Tyrannen arrangieren
Financial Times lobt den Besuch des Papstes und sieht darin einen Gegensatz zum derzeit oft üblichen Vorgehen der Kirche im Nahen Osten:
„Die Christen im Orient sind im Kreuzfeuer des brutalen konfessionellen Konflikts zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen gefangen. Eine Kirche, für die Freiheit und Demokratie im Widerspruch zu religiöser Freiheit steht, hilft ihnen da nicht. Die Kirche hat sich sogar auf die Seite des grausamen syrischen Diktators Baschar al-Assad gestellt, weil sie diesen als Bollwerk gegen dschihadistische Extremisten sieht. Es wäre eine Tragödie, wenn die Bedrohung durch den Islamismus das Urteilsvermögen der Katholiken ähnlich beeinflusst wie einst das Gespenst des Bolschewismus. Denn dieses brachte einige Kirchenangehörige im 20. Jahrhundert dazu, sich mit dem Faschismus zu verbünden.“
Dialog muss Normalität werden
Höchste Bedeutung misst die Frankfurter Allgemeine Zeitung dem Besuch bei:
„Papst Franziskus in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, und damit in einer Region, von der aus sich einst der Islam über die Welt ausbreitete - allein dieser Umstand und seine Einmaligkeit verleihen dem Besuch eine besondere, historische Bedeutung. ... In diesen aufgewühlten Zeiten ist es mehr als nur ein Zeichen, mit islamischen Würdenträgern und Gelehrten über Toleranz, Humanität und die Eindämmung des Extremismus zu sprechen. Solche Gespräche müssen neue Normalität werden, ihr interreligiöser Ertrag muss sich im Alltag zeigen.“
Mit wem Franziskus in Abu Dhabi redete
Andrea Riccardi, Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio, ordnet in Corriere della Sera Franziskus' Gesprächspartner ein, den Großimam Ahmed al-Tajib von der Kairoer Islam-Akademie Al-Azhar:
„In den letzten Jahren hat Al-Azhar wieder an Einfluss in der sunnitischen Welt gewonnen. Diese hatte nach der Abschaffung des Kalifats 1924 durch Atatürk weder ein Zentrum, noch eine Bezugsperson. Derweil schossen selbsternannte religiöse Führer, wie der 'Kalif' al-Baghdadi und andere, wie Pilze aus dem Boden. Als Leiter der renommiertesten islamischen Universität genießt al-Tajib Autorität unter den Muslimen und treibt gleichzeitig eine vorsichtige reformistische Linie voran. Auf internationaler Ebene setzt er sich für den Dialog mit dem Westen und dem Christentum ein. Schon 2017 begrüßte er Papst Franziskus in Kairo und begann einen persönlichen und spirituellen Dialog mit ihm.“