Pattsituation nach Wahl in Republik Moldau
Bei der Parlamentswahl in Moldau haben die prorussischen Sozialisten gewonnen, können jedoch keine Regierung stellen. Die proeuropäische Acum landete auf Platz zwei, die bislang regierende Demokratische Partei auf Platz drei. Auch die Partei Șor wird im Parlament vertreten sein. Wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse ist weiterhin offen, in welche Richtung sich das Land bewegt.
Russland hat sich verrechnet
Anders als andere Kommentatoren, ist der Politologe Witalij Portnikow in Obozrevatel der Meinung, dass der Kreml der Verlierer der Wahl in Moldau ist:
„Nach dem Sieg von Igor Dodon, ein Mann Moskaus, bei der Präsidentschaftswahl fehlte dem Kreml nur noch eines: ein Sieg der Sozialisten bei der Parlamentswahl. Dann hätte man die Republik Moldau in die Tasche stecken können. ... Moskau hat sich jedoch verrechnet - und jetzt leugnen sie das auch gar nicht. Für die Partei von Dodon hatten nur 31 Prozent der Wähler gestimmt. Und das bedeutet, dass die verbleibenden 69 Prozent, auch wenn sie für miteinander konkurrierende Parteien stimmen, keine Entscheidung für Russland treffen wollen und nicht treffen werden.“
Bukarest sollte Vereinigung vorantreiben
Rumänien sollte seine Absichten gegenüber dem Nachbarland nun endlich offenlegen, fordert Evenimentul Zilei:
„Die Republik Moldau wird wohl niemals in die EU aufgenommen werden - zumindest nicht in den kommenden 30 Jahren. ... Die Politiker und die rumänische Diplomatie reden dagegen immer wieder von 'Ausrichtung gen Westen', 'vom europäischen Weg der Republik Moldau'. ... Welch heuchlerische und - verzeihen Sie den Ausdruck - beschissene Botschaft. ... In einem normalen Land müsste die politische Macht in Bukarest laut und unverblümt erklären: Rumänien will die Vereinigung mit der Republik Moldau! ... Fertig, aus! Was soll die Scheinheiligkeit? Hat die Bundesrepublik jemals gesagt, sie wolle der DDR helfen, in die EU und auf den europäischen Weg zu kommen? Unsinn! Vereinigung!“
EU scheitert mit Nachbarschaftspolitik
Moldau war bislang ein gelungenes Beispiel für die EU-Politik der Östlichen Partnerschaft, was aber nun vorbei sein dürfte, bedauert Delfi:
„Die Wahlergebnisse stehen für einen Misserfolg der Östlichen Partnerschaft. Die Zustimmung zu pro-europäischen Parteien ist nicht gestiegen und dem Durchschnittsbürger geht es im Alltag nicht besser. Die EU kann viele Ratschläge über den Kampf gegen Korruption und gegen die Oligarchen erteilen, doch die Oligarchen regieren weiter das Land und nutzen es aus. Die EU muss die Nachbarschaftspolitik neu bewerten. Aber dafür ist kaum Zeit. Und die Europawahl bringt wohl lediglich ein noch populistischeres und gespaltenes EU-Parlament. Ob die Östliche Partnerschaft dann überhaupt noch jemanden interessiert, ist fraglich.“
Hängepartie geht weiter
Die Republik Moldau bekommt alles andere als stabile Verhältnisse, konstatiert Iswestija:
„Die formellen Wahlsieger, die Sozialisten unter Führung von Staatspräsident Dodon, sind in einer schwierigen Lage. Denn die übrigen Parteien haben eine klar pro-europäische Ausrichtung. Doch auch die Bildung einer erneuten pro-westlichen Koalition ist durchaus problematisch, tritt doch das euro-atlantische Trio Demokratische Partei/Acum/Șor eher auf wie Schwan, Krebs und Hecht [Fabel von Krylow], denn als ein von einem gemeinsamen ideologischen Ziel geeinter politischer Block. ... Dabei braucht das Land dringend politische Klarheit und minimale Stabilität. ... Moldau tritt in eine weitere politisch turbulente Phase ein. Nicht nur das Parlament hängt in der Luft, sondern das ganze Land.“
Wahlentscheidung hängt am Geldbeutel
Die schlechte wirtschaftliche Lage im Land lässt viele nicht an eine europäische Lösung glauben, erklärt Cristian Unteanu auf seinem Blog bei Adevărul:
„Die Wahlen waren ein wichtiger Test für ein Abstimmungsverhalten, das möglicherweise nicht nur die Mentalität in unserem Nachbarland charakterisiert. Der euroskeptische Diskurs findet nun einmal leichter Gehör, wenn er mit einer unmittelbaren wirtschaftlichen Perspektive daherkommt: mit Arbeitsplätzen, dem Versprechen von günstigen Energiepreisen, sowie Handelsabkommen, die Vorzugspreise für eine Staatsproduktion vorsehen, die oft klein und von schlechter Qualität ist. Angesichts dieser Perspektive befürchte ich stark, dass wir wieder mal sehen werden, dass der Wähler mit einer Flasche Speiseöl, einem Sack Mehl und Zucker politisch überzeugt werden kann. “
Der Kreml freut sich
Polityka glaubt, dass das Wahlergebnis Russlands Einfluss in Moldau stärken wird:
„Die Parteien haben 45 Tage Zeit [um eine Regierung zu bilden] - sonst wird in Moldau erneut gewählt. Präsident Dodon hat bereits festgestellt, dass ein solches Szenario sehr wahrscheinlich ist. Die Republik Moldau, die zum Programm der Östlichen Partnerschaft der EU gehört, jedoch in einen pro-russischen und einen pro-westlichen Teil gespalten ist, hat daher ein Problem. Brüssel und Moskau verfolgen den Verlauf der Ereignisse genau … Im Kreml reiben sie sich die Hände, weil das Chaos andauert. Eine günstige Situation für Russland, das plant, die Republik Moldau wieder in seinen Einflussbereich zu holen.“
Moldauer sollten Stabilität wählen
Welche Fragen sich die Bürger vor dem Urnengang am Sonntag stellen sollten, erläutert die Politikwissenschaftlerin Anneli Ute Gabanyi in Radio Europa Liberă:
„Die Wähler in der Republik Moldau brauchen zuallererst eine gewisse wirtschaftliche Stabilität. Mit wem wollen sie die realisieren? ... Mit einem Land wie Russland, das ständig versucht, die Republik Moldau zu erpressen, sei es durch das Herunterfahren oder gar die Einstellung von Exporten, sei es durch irgendwelche Tricks bei den Gaslieferungen? Zu wem wollen die 50 Prozent pro-russischen Bürger halten? Zu einer politischen Kraft, die versucht, sie durch hybride publizistische Methoden im Land zu beeinflussen und die ihnen wirtschaftlich nicht hilft, und ihnen keine Möglichkeit einer politischen Perspektive bietet? Die Dinge liegen doch klar auf der Hand, doch es fehlen Politiker, die sie erklären könnten.“
Kreml-Freundschaft oder Selbstliquidierung
Das Verhältnis der verschiedenen politischen Lager der Republik Moldau zu Moskau beschreibt Vzglyad:
„Bei allen Skandalen zwischen Chişinău und Moskau, die die Herrschaft der Kommunisten begleiteten: Zum völligen Bruch kam es nie und in Moldau selbst hat sich keine antirussische Hysterie breit gemacht. Für die Rechten - egal ob an der Macht oder in der Opposition - ist Moskau die Verkörperung des Bösen, und von diesem Axiom ausgehend machen sie Politik. Faktisch verkörpern alle moldauischen rechten Politiker einen kollektiven Poroschenko. Mit dem Unterschied, dass viele von ihnen die einzige Rettung vor der 'russischen Gefahr' in der sofortigen Selbstliquidierung Moldaus und dessen Anschluss an Rumänien sehen.“