EU und Arabische Liga: Was hat der Gipfel gebracht?
Die EU-Mitglieder und die Staaten der Arabischen Liga haben auf ihrem ersten gemeinsamen Gipfel in Scharm el Scheich eine "neue Ära der Kooperation" eingeleitet. Die strategische Partnerschaft soll ausgebaut werden, umstrittene Themen fehlen jedoch in der Abschlusserklärung. Während einige Kommentatoren von diesem Ergebnis enttäuscht sind, sehen andere Grund zur Hoffnung.
Verhandlungen mit den falschen Partnern
Dass dieser und künftige Gipfel tatsächlich zu besseren Beziehungen führen werden, bezweifelt der Deutschlandfunk:
„Die Liga-Mitglieder haben keinen gemeinsamen Binnenmarkt, keine Zollunion, keine gemeinsame Währung. Bekannt ist die Liga dafür, dass ihre Mitglieder sich selten an ihre eigenen Beschlüsse halten. Nach wie vor funktionieren Beziehungen mit arabischen Staaten am besten auf der bilateralen Ebene. Gewiss: Europa kann sich seine regionalen Nachbarn nicht aussuchen. Und miteinander zu reden, ist nie verkehrt. Aber die Hoffnung eines 'Wandels durch Annäherung' ist etwas dünn, um demonstrativ auf die Arabische Liga zuzugehen. Dieses Treffen stärkte nicht die mutigen Menschenrechtler in der arabischen Welt, sondern die, die ihnen ohne Unterlass zusetzen.“
Menschenrechte dürfen nicht ausgeklammert werden
Erst in der vergangenen Woche wurden gegen neun Mitglieder der Muslimbruderschaft in Ägypten Todesurteile vollstreckt. Für Hürriyet Daily News ist es ein Skandal, dass dies auf dem Gipfeltreffen nicht zur Sprache kam:
„Europäische Führer sollten nicht den Fehler begehen, den Arabischen Frühling als gescheiterten Test zum Übergang zur Demokratie im Nahen Osten zu betrachten. Und sie sollten nicht glauben, dass die Unterstützung der autokratischen arabischen Regime Terrorismus und Migration eindämmen wird. Es sind die antidemokratischen Praktiken dieser Regime, die die Gründe für Terrorismus und Migration liefern. Es ist essentiell, dass die EU weiterhin mit den arabischen Ländern in Kontakt bleibt. Doch die Einhaltung der Menschenrechte muss stärker zu einer Grundbedingung werden.“
Die Annäherung hat begonnen
Es ist nicht so, dass das Thema Menschenrechte überhaupt nicht angeschnitten wurde, merkt La Stampa an:
„Zum Schluss kamen die Menschenrechte doch zur Sprache, als ein Journalist während der Abschlusspressekonferenz die Frage nach den verschiedenen Normen und ihrer Einhaltung in Europa und in der arabischen Welt stellte. Ägyptens Präsident al-Sisi zögerte nicht, die Anwendung der Todesstrafe in Ägypten zu verteidigen, und argumentierte, dass sie in der Kultur des Landes so verwurzelt sei, wie ihre Abschaffung den Europäern lieb und teuer. ... Abgesehen von den verschiedenen Akzenten hatte der Gipfel in Scharm al Scheich jedoch den Vorzug, bisher weit voneinander entfernte Standpunkte zu konfrontieren. Und selbst wenn in mehr als einem Fall die weit entfernten Positionen bestehen bleiben, hat der Weg zu einer Annäherung von Normen, Sprachen und Methoden begonnen.“
Auf schwache Premiere folgt oft starke Reprise
Allein, dass der Gipfel zustande gekommen ist, verdient nach Meinung von Hospodářské noviny Anerkennung:
„Schwieriger ist es, eine Einigung so vieler Teilnehmer hinzubekommen. Vor allem beim Migrationsproblem. Die Europäer hörten, dass es nicht genügt, sich finanziell an Flüchtlingszentren in den Herkunftsländern zu beteiligen. Sie müssten in diesen Ländern auch Arbeitsplätze schaffen. So wie man einig in der gemeinsamen Sorge war, dass Terroristen nach der militärischen Niederlage des IS jetzt verstärkt Attentate in arabischen und europäischen Ländern verüben könnten, so herrschte Unsicherheit über den Umgang mit Syrien. Hier eine Antwort zu finden, ist auch schwierig, da der Iran, die Türkei, Russland und Israel abwesend waren. ... Konkrete Ergebnisse waren nicht zu erwarten. Aber nach schwachen Premieren gibt es nicht nur im Theater immer wieder gelungenere Reprisen.“
Symbolik, die zur Strategie passt
Für die EU ist an diesem Gipfel das Wichtigste, dass er überhaupt stattfindet, meint Večernji list:
„Obwohl es keine Beschlüsse und neuen Initiativen gab, fügt er sich gut in die globale Strategie der EU ein, die auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit derlei Organisationen setzt. Wichtig ist der Gipfel außerdem wegen der Anstrengungen der EU, weltweite Probleme multilateral lösen zu wollen und den globalen Handel anzuregen - in einer Situation, in der dieser Multilateralismus Angriffen ausgesetzt ist, und zwar sowohl von Feind als auch Freund (wie den Amerikanern). ... Alles in allem gibt es in Sharm el-Sheikh mehr Symbolik als konkrete Entscheidungen, die die Welt verändern werden.“
Kuschelkurs mit al-Sisi wird sich rächen
Dass die EU so eng mit Ägyptens Staatschef kooperiert, ist so ungeschickt wie unverantwortlich, schimpft The Guardian:
„Die politischen Führer der EU sehen das Regime von Präsident al-Sisi als Anker der Stabilität in der Region - obwohl sein Handeln langfristig weiteren Druck erzeugt. ... Wegen der aktuellen Pläne für eine Verfassungsreform in Ägypten, die einem Putsch gleichkommt, lösten sich sogar das 'Versprechen oder der Anschein' demokratischer Regentschaft in Luft auf, wie ein ägyptischer Autor feststellt. Ein zunehmend diktatorischer Herrscher mag überzeugt sein, dass er nicht auf Unterstützung angewiesen ist, wenn er Folgsamkeit erzwingen kann. Doch das dachten seine Vorgänger auch. Korruption, Inflation, Arbeitslosigkeit und staatliche Brutalität befeuern den Frust der Bürger. ... Al-Sisis Regime zu stärken, ist töricht und falsch.“
Weitere Weichenstellung Richtung Eurabien
Eine Gefahr für Europa wittert in Anbetracht des Treffens Magyar Nemzet:
„Angesichts des Gipfels ist es für uns Zentral- und Osteuropäer an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken: Die europäisch-muslimische Annäherung zielt darauf ab, Eurabien zu erschaffen. Westeuropa hat diese Vereinigung praktisch seit den 1970er Jahren im Visier. ... Ursprünglich war es das Ziel, nur arabisch-muslimische Völker nach Europa hereinzulassen. In den vergangenen drei Jahren indes wurde die Aufnahme von Migranten auch auf andere Länder Afrikas ausgeweitet. Vergessen wir nicht, der europäische Kalergi-Preis [der Coudenhove-Kalergi-Europapreis] wird denjenigen zugesprochen, die darauf hinarbeiten, eine übernationale europäische Einheit zu schaffen. ... Ziel ist es, die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der alteingesessenen Völker Europas auszuhebeln.“