Musste das Treffen von Trump und Kim so enden?
Der zweite Gipfel zwischen Trump und Kim ist Ende vergangener Woche abrupt und ergebnislos zu Ende gegangen. In den Fragen der nuklearen Abrüstung und dem Ende der US-Sanktionen gegen Nordkorea erzielten die beiden Staatschefs in Hanoi keine Einigung. Mit etwas Abstand versuchen Journalisten den Abbruch des Gipfels zu bewerten.
Kim knickt nicht vor der Supermacht ein
Warum die Verhandlungen zwischen Trump und Kim Jong-un in Hanoi gescheitert sind, versucht Trud zu ergründen:
„Die USA gehen typischerweise davon aus, dass die Gegenseite a priori dazu verpflichtet ist, mehr Zugeständnisse zu machen als die Supermacht. Kim ist da offensichtlich anderer Meinung. Er hat sicherlich auch nicht vergessen, dass die USA im August neue Sanktionen gegen Nordkorea eingeführt haben, obwohl Kim vor dem Juni-Treffen mit Trump in Singapur sein größtes Atomtestgelände sprengen ließ. In Hanoi ist Kim nun offenbar weniger kompromissbereit in die Verhandlungen gegangen, und ohne die Bereitschaft zur völligen atomaren Abrüstung. Denn er weiß, dass Washington nur deshalb freundlich mit ihm verhandelt, weil er Atomwaffen hat.“
Trump beweist gesunden Menschenverstand
Das Wochenblatt Respekt lobt das Vorgehen des US-Präsidenten:
„Man muss Trump zugestehen, dass er gesunden Menschenverstand bewiesen hat. Sein Gegenüber hat in gewisser Weise damit gerechnet, dass Trump der Versuchung erliegen könnte, unter allen Umständen einen internationalen Erfolg einzufahren. Immerhin sagte Trumps ehemaliger Mann für die schmutzige Arbeit, Michael Cohen, zeitgleich vor dem US-Kongress aus und beschuldigte dort seinen früheren Chef der Lüge, des Betrugs und des Rassismus. Trump aber lenkte die Aufmerksamkeit nicht von den Geschehnissen in Washington ab und verließ den Verhandlungstisch lieber ohne Ergebnis.“
Grenzenlose Verachtung für die Demokratie
Keinerlei Verständnis bringt hingegen Dagens Nyheter nach dem gescheiterten Gipfel für US-Präsident Trump auf:
„Trump spricht über das enorme Potenzial Nordkoreas. Die kommunistische Planwirtschaft ist jedoch so ineffektiv, dass Millionen Nordkoreaner regelmäßig hungern müssen. ... Das Regime interessiert sich nicht für das Wohlergehen der Bevölkerung, sondern nur für sein eigenes Überleben und bedient sich dabei gnadenloser Unterdrückung. Die Atomwaffen wiederum garantieren, dass kein Angreifer kommt und die Kim-Dynastie vom Thron stürzt. Doch solche Details kümmern Trump nicht. ... Michael Cohen, der jahrelang die Dinge für Trump deichselte, sagte jetzt vor dem Kongress aus und bezeichnete seinen ehemaligen Chef als Rassisten und Betrüger. Hanoi zeigte auch die grenzenlose Verachtung, die der Präsident für Demokratie und Menschenrechte empfindet.“
Blamage und Katastrophe zugleich
NRC Handelsblad findet harte Worte zum Abbruch des Treffens zwischen Trump und Kim:
„Das Scheitern des Gipfels ist Blamage und Katastrophe zugleich, für beide Parteien. Es ist die Folge einer riskanten, neuen Art der Diplomatie, bei der die heiklen Punkte nicht vorher von niedrigeren Beamten ausgehandelt werden. ... Die Frage ist, welche Folgen das Scheitern des Gipfels haben wird. Beginnt Nordkorea nun wieder mit nuklearen Tests und mit dem Abfeuern von Raketen, und ist der ganze Friedensprozess nun wieder zurück auf Anfang?“
Nun können pragmatische Verhandlungen beginnen
Optimistischer reagiert Diário de Notícias auf die Nachrichten aus Hanoi:
„Auch wenn viele das ergebnislose Treffen als Fehlschlag betrachten, ist die Wahrheit eine ganz andere: dass die 'richtigen' Verhandlungen, die der kleinen Schritte, jetzt erst richtig anfangen. ... Kim wollte ein sofortiges Ende der Sanktionen, Trump sagte nein. Die pragmatischen Verhandlungen, ohne allzu großen Optimismus, können nun endlich voranschreiten - und so lange diese auch dauern mögen, sie werden kleine Ergebnisse bringen, die Konflikte vermeiden. Nordkorea wird weiterhin auf Atom- und Raketentests verzichten. ... Im Grunde war das Gute am Treffen in Hanoi, dass es Trump und Kim nach reichlich gegenseitigem Lob gelungen ist, nicht wütend aufeinander zu werden.“
Noch ist nicht alles verloren
Auch Jyllands-Posten wertet das abgebrochene Treffen nicht als Totalausfall:
„Es spricht für Präsident Trump, dass es ihm überhaupt gelungen ist, einen Dialog mit einem so tief irrationalen und rückgratlosen Regime in Gang zu bringen. ... Die persönliche Chemie zwischen politischen Führern spielt tatsächlich eine Rolle, und Trump legte jedenfalls großen Wert darauf, den Eindruck zu vermitteln, dass selbst wenn der Gipfel nichts gebracht hat, der Wille, den Dialog aufrecht zu erhalten, weiter vorhanden ist.“
Geplatzte Träume auf beiden Seiten
Wenig überrascht vom Gipfelabbruch zeigt sich Russlands ehemaliger Vizeaußenminister Georgi Kunadse in Echo Moskwy:
„Der US-Präsident spekulierte eindeutig darauf, aus Hanoi irgendeine hübsche Deklaration über die Ergebenheit beider Seiten für die 'Denuklearisierung' der koreanischen Halbinsel mitzubringen. Übersetzt in menschliche Sprache bedeutet dieses hässliche Wort die Liquidierung der nordkoreanischen Atomwaffen - worauf sich der nordkoreanische Diktator natürlich nicht einließ: Er ist zwar ein Tyrann, aber kein Idiot, der einen Verzicht auf seinen einzigen Trumpf zulässt. Er wiederum träumte davon, eine Aufhebung oder Abschwächung der US-Sanktionen zu erreichen, die seine ohnehin schwächelnde Wirtschaft abwürgen. Darauf ließ sich der US-Präsident nicht ein: Noch ist er ja kein Tyrann, wer sollte ihm das erlauben?“
Kim steht vor der Wahl
Was Kim sich nun genau überlegen sollte, beschreibt Delo:
„Da die diplomatische Mission Trumps eigentlich gegen China als einzigen ernsthaften Herausforderer der globalen Vorherrschaft der USA gerichtet ist, steht Kim jetzt vor der Wahl, Gewinner oder Kollateralschaden im großen Spiel zu werden. Sollte Kim noch weiter die Hand des chinesischen Präsidenten Xi Jinping halten, könnte die Liebe zwischen Kim und Trump schnell wieder zu 'Feuer und Zorn' werden. Sollte Kim komplett abrüsten, könnte ihm Trump einen Teil des nicht gewonnenen Friedensnobelpreises abgeben.“