Bouteflika zieht Kandidatur zurück
Algeriens Präsident Bouteflika hat nach wochenlangen Massenprotesten auf eine erneute Kandidatur verzichtet, die Wahl verschoben und angekündigt, dass die Verfassung überarbeitet werden soll. Kommt jetzt der von den Demonstranten geforderte Wandel?
Ein Schritt vor, zwei zurück?
Die Bürger müssen nun wachsam bleiben, mahnt die algerische Tageszeitung Le Quotidien d'Oran:
„In den kommenden Tagen soll eine Übergangsregierung mit nationalen Kompetenzen eingesetzt werden. Doch dieser Fassadenanstrich für die Machthaber wird auch diesmal nichts Neues bringen. Er haucht lediglich dem Regierungssystem, das die Algerier hier und im Rest der Welt abgelehnt und angeprangert haben, ein zweites Leben ein. Es handelt sich dabei weder um Hinterhalt noch um Betrug. Doch die Offensichtlichkeit dieses sterilisierenden Manövers zwingt alle Algerier dazu, skeptisch zu bleiben. … Wurden die großen Hoffnungen des Volks verraten? Das wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall ist es zu früh, sich zu freuen. Man muss abwarten, wie es weitergeht. Ein Schritt vor, zwei zurück?“
Wie die Elite ihre Macht erhalten will
Der nun folgende Wechsel an der Staatsspitze Algeriens sollte genau beobachtet werden, betont auch Wedomosti:
„Ein Hinauszögern des Übergangsprozesses birgt die Gefahr, dass der Präsident von den Eliten geopfert wird, damit sie ihre Macht erhalten können. ... Der Versuch, 2019 einen siechenden Präsidenten zur Wahl aufzustellen, ebenso wie schon 2014 nach dessen Herzinfarkt, ist eine Folge der Zersplitterung einer Elite, die sich nicht über die Aufstellung eines Nachfolgers einigen konnte. ... Jetzt setzt die Elite wahrscheinlich auf eine gänzlich schwache Figur, um ihren Einfluss im Land zu bewahren.“
Algerien liefert den Gegenbeweis
Alle Elemente des Arabischen Frühlings finden sich im Grunde auch in dem Konflikt in Algerien wieder, beobachtet Dagens Nyheter:
„Das Durchschnittsalter liegt bei gerade mal 28 Jahren, und die Jungen sind alles andere als zufrieden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, auch Ausbildung ist keine Garantie für einen Job. Seit dem Kollaps des Weltmarktpreises für Öl 2014 gibt es keinen Spielraum für ökonomische Zugeständnisse. Manche sagen, der Krieg in Syrien habe gezeigt, dass man dem Nahen Osten keine Demokratie anvertrauen kann. Mit dem gleichen Ausgangspunkt hat das Militär in Ägypten eine noch schlimmere Diktatur als die von Mubarak errichtet. Die Massenproteste in Algerien sagen etwas anderes aus: Tyrannen, die Menschen ihre politischen Rechte und ökonomischen Möglichkeiten verwehren, sitzen nicht auf ewig fest im Sattel.“
Das Regime bleibt stabil
Ein grundlegender Wandel deutet sich in Algerien noch längst nicht an, bemerkt Club Z:
„Das Militär-Establishment ist das Rückgrat des algerischen Staats, was bedeutet, dass ein Wechsel an der Spitze des Staats nur mit dem Segen der Generäle stattfinden kann. Das Militär wird sich einmischen, wenn es spürt, dass ihm die Macht entgleitet oder die Stabilität des Regimes und seiner Strukturen bedroht ist. Bislang tun das die Forderungen nach einem Wechsel, einer Abkehr von der bisherigen Politik und der Gründung einer Zweiten Republik jedoch noch nicht. Das heißt, dass die jetzige Krise im Land sich noch in den Grenzen des Erlaubten bewegt, so stark die Stimmen gegen das Regime auch sein mögen.“
Das Volk dürstet nach Leben
Wovor die Menschen in Algerien nun auf der Hut sein müssen, beschreibt Le Figaro:
„Man kann sich nur freuen, dass sich hier der Weg eines friedlichen Übergangs abzeichnet. Die Demonstranten müssen aber sicher weiter auf der Hut bleiben, um zu verhindern, dass die großen Barone des Regimes durch Tricksereien mit der Verfassung die Macht erlangen. Die andere Gefahr ist, dass die Transition angesichts der Spaltung der Opposition von düsteren Kräften kassiert wird, vor allem wenn sie chaotisch ablaufen sollte. Wie so oft lauern die Islamisten im Hinterhalt. Diese Ungewissheiten können die derzeitige Hoffnung auf einen Wandel aber nicht bremsen. Wie der Schriftsteller Kamel Daoud treffend formuliert: Das algerische Volk hat riesigen Durst nach Leben.“