Slowakei: Spricht Čaputovás Sieg für einen Wandel?
Zuzana Čaputová, liberale Anwältin und Quereinsteigerin in die Politik, hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl in der Slowakei mit 41 Prozent der Stimmen gewonnen. Sie hat nun gute Chancen, auch die Stichwahl gegen den EU-Kommissar und Sozialdemokraten Maroš Šefčovič, für sich zu entscheiden. Während der Wahlausgang viele hoffnungsfroh stimmt, warnen andere davor, zu früh zu jubeln.
Ungarn wird sich ein Beispiel nehmen
Die Slowakei hat eine Lektion gelernt, die Ungarn erst noch begreifen muss, glaubt das liberale Internetportal Azonnali:
„Wie Gábor Vona [ehemaliger Parteichef der Rechtsradikalen, der sich jetzt gemäßigt gibt] es auf den Punkt gebracht hat: Erst das Orbán-Regime hat ihm klar gemacht, warum es besser ist, in einer liberalen Demokratie zu leben. 1989 wollte das ungarische Volk nicht wirklich eine liberale Demokratie, die Ereignisse geschahen einfach. Die Erfahrungen, die es jetzt mit Viktor Orbán macht, könnten dazu führen - natürlich nicht sofort, auch nicht morgen, sondern irgendwann in zehn Jahren -, dass die liberale Demokratie diejenige Staatsform wird, die auch das Volk haben möchte. Die Slowakei hat die schlechte Erfahrung einfach früher gemacht als Ungarn, darum konnte das Land auch früher wieder da heraus kommen.“
Extremisten sind noch lange nicht geschlagen
Immerhin eine halbe Million Menschen - ein Viertel der Wähler - haben am Samstag ihre Stimme für zwei Rechtsaußen-Kandidaten abgegeben, die auf dem dritten und vierten Platz landeten. Das darf mit Blick auf die Parlamentswahlen im kommenden Jahr nicht untergehen, heißt es warnend in Mladá fronta dnes:
„Es sind zwar zwei proeuropäische Kandidaten in die Stichwahl gekommen. Aber die Slowakei ist dennoch nicht so proeuropäisch, wie es auf den ersten Blick erscheint. Die Jubelfeuerwerke erlöschen irgendwann. Dann sind Analysen vom dritten Platz an abwärts fällig. Dort ist Aufmerksamkeit vonnöten. In einem Jahr schon stehen Parlamentswahlen an. Wer weiß, wie die ausgehen. “
Sehnsucht nach Anstand und Wahrheit
Im Wahlergebnis spiegelt sich der Wunsch nach Wandel wieder, analysiert die Chefredakteurin von Sme, Beata Balogová:
„Zuzana Čaputová überzeugte all die Menschen, die das Land ein Jahr nach dem Journalistenmord am Scheideweg sehen und die einen Weg des Anstands, des Gesetzes und der Wahrheit wählen wollen. ... Der Sieg von Čaputová war nicht das Ergebnis einer Wahl des kleineren Übels. Das Land wählte sie vielmehr voller Zuversicht. ... Das Land setzte zudem den Faschisten ein 'Nein' entgegen. Diese Verschwörer, Zweifler und Lügner werden in der Kampagne vor der zweiten Runde die niedrigsten Instinkte einiger Wähler anzusprechen versuchen. Der Wunsch nach einer anständigen Politik wird jedoch sehr wahrscheinlich obsiegen.“
Slowaken glauben falschen Propheten nicht mehr
Die Slowakei wird zum Vorbild für Mittelosteuropa, freut sich Népszava:
„Die meisten Menschen in der Region suchen ihren Messias entweder in autokratischen Führern oder Populisten, die alles Mögliche versprechen, Hass schüren, ausgrenzen und gegen die Europäische Union Stimmung machen. Die Slowaken hingegen haben verstanden, dass man ein westliches Lebensniveau nur durch eine Demokratie nach westlichem Vorbild erreichen kann. Ein paar Jahre haben ihnen gereicht, um nicht mehr den falschen Propheten zu glauben, sondern daran, dass man die Dinge innerhalb der demokratischen Rahmenbedingungen verändern muss und auch kann.“
Kiska bringt sich in Stellung für Amt des Premiers
Mit der Frage, warum der Präsident nicht zur Wahl angetreten ist, beschäftigt sich Rzeczpospolita:
„Andrej Kiska nahm nicht an der Wahl teil, obwohl er, wie viele Analysten meinen, die Chance hätte, sie in der ersten Runde zu gewinnen. Er war der prominenteste Kritiker des gegenwärtigen Systems, als nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak im ganzen Land gegen die Regierung demonstriert wurde. ... Kiska erklärte jetzt, dass nach dem Mord an einem Journalisten, der den Zustand der Elite enthüllt hat, eine neue politische Führung notwendig ist. Man kann davon ausgehen, dass er sich nicht mehr auf das repräsentative Amt des Präsidenten beschränken möchte und die echte Politik vorzieht. Wahrscheinlich denkt er an den Posten des Premierministers: Die Parlamentswahl findet spätestens im März 2020 statt.“