Israelis wählen neues Parlament
Rund sechs Millionen Israelis sind am heutigen Dienstag aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Umfragen zufolge liegen die Parteien von Premier Benjamin Netanjahu und des früheren Armeechefs Benny Gantz gleichauf. Netanjahu hatte angekündigt, im Falle der Wiederwahl Teile des Westjordanlands annektieren zu wollen. Kann er auf eine weitere Amtszeit hoffen?
Gefährliche Fantasien
Mit Netanjahu wird in der Region kein Frieden einkehren, ist Berlingske überzeugt:
„Israels Premier steht für Kompromisslosigkeit gegenüber den Palästinensern. ... Dass der Glaube an den Frieden verloren gegangen ist, ist verständlich, aber auch tragisch. ... Früher oder später wird sich ein führender israelischer Politiker wieder trauen müssen, mit den Palästinensern zu verhandeln. ... Netanjahu hat betont, dass er einen palästinensischen Staat nicht dulden wird, und am Samstag erhöhte er den Einsatz, indem er sich offen dafür zeigte, dass Israel Siedlungen im besetzten Westjordanland annektiert. Damit betreibt er Stimmenfang an der ultra-nationalistischen Flanke. ... Diese Fieberphantasien sind gefährlich. ... Die Sicherheit des Landes wird letztlich am besten durch einen Friedensschluss mit den Palästinensern garantiert.“
Populist Bibi
Warum Netanjahu den Wählern die Eingliederung des Westjordanlands in den israelischen Staat versprochen hat, erklärt Le Monde:
„Worte sind keine Seifenblasen. Sie sind erst recht keine, wenn sie von einem so durchtriebenen und erfahrenen Politiker wie Benjamin Netanjahu kommen. Die Absicht, die der israelische Premier am 6. April, drei Tage vor der Wahl, im Fernsehen geäußert hat, bedeutete einen persönlichen Wendepunkt. Es sind düstere Aussichten für das Land. ... Netanjahus Worte bestätigen seine Flucht nach vorn, in den Populismus, in die identitäre Politik. 'Bibi' will die juristischen Ermittlungen wegen Korruption, die gegen ihn laufen, überleben. Und er organisiert dabei eine scheußliche politische Polarisierung in Israel.“
Korrupt, aber unentbehrlich
Obwohl Netanjahu keinen guten Ruf hat, wählen ihn die Israelis, kommentiert der politische Analyst Gábor Györi in Mérce:
„In Israel gibt es, wie in Ungarn, eine Gesellschaftsschicht, die die Korruption, Netanjahus antidemokratische Bestrebungen und die zunehmende gesellschaftliche Spaltung (sowohl ideologisch als auch materiell und sozial) durchaus wahrnimmt. Es ist sogar denkbar, dass sie mit der dominanten nationalistischen Ideologie der Rechten gar nicht übereinstimmt. Doch 'Bibi', wie Netanjahu genannt wird, hat es geschafft, sich als unentbehrlich darzustellen - als unvollkommener Riese unter Zwergen.“