Ist Estlands Pressefreiheit in Gefahr?
Zwei Journalisten in Estland, die sich kritisch über die neue rechtsextreme Regierungspartei Ekre geäußert haben, haben vergangene Woche gekündigt. Beide sagten, ihre Arbeitgeber hätten von ihnen verlangt, "neutraler" zu berichten. Vilja Kiisler war Talkshow-Moderatorin beim Onlineportal der Zeitung Postimees, Ahto Lobjakas Radiokommentator beim öffentlichen Rundfunk ERR. Kollegen reagieren besorgt bis abwiegelnd.
Das Schlimmste ist die Selbstzensur
An die Zeiten fehlender Pressefreiheit in Estland erinnert sich Õhtuleht noch zu gut:
„Je vehementer der ERR versichert, dass kein Druck ausgeübt wurde, desto mehr Fragen wirft es auf, dass Ahto Lobjakas als ERR-Kommentator aufhört. Besonders wenn er selbst sagt, dass er die Wahl hatte zwischen Selbstzensur und Kündigung. ... Selbstzensur ist das Schlimmste. Sie kann sich unterbewusst einschleichen, denn auch ein Journalist ist nur ein Mensch, der leben und seine Kredite abzahlen muss. Manche finden vielleicht, dass es nicht zu viel verlangt ist, manch Einschätzung besser bleiben zu lassen, manch unbequeme Frage nicht zu stellen und über manch verdächtiges Ereignis im Sinne des Hausfriedens lieber nicht zu berichten. Tja, dann sind wir bald wieder soweit, dass wir Voice of America und Radio Free Europe hören müssen.“
Journalisten müssen mit Feedback klarkommen
ERR-Vorstand Erik Roose beteuert in einer Stellungnahme auf ERR Online, dass die Pressefreiheit nicht in Gefahr sei:
„Die Entscheidung von Ahto Lobjakas als Kommentator aufzuhören, war sein persönlicher Wunsch. Die Leitung hatte sich informiert über Rückmeldungen zu verschiedenen Sendungen. Es gehört zum normalen Redaktionsprozess, dass Journalisten ein Feedback zu ihrer Arbeit bekommen. ... Bei der Einschätzung der Tätigkeit des ERR muss man das Gesamtprogramm berücksichtigen, das Schicksal einzelner Journalisten sollte nicht als Gefahr für die Pressefreiheit gedeutet werden. Pressefreiheit ist kein Kleingeld, womit der ERR handelt.“