Gaza: Ein Deal scheint nah – was ist davon zu halten?
Die Anzeichen mehren sich, dass ein Abkommen im Gaza-Krieg unmittelbar bevorsteht. Einem Entwurf zufolge sollen zunächst 33 israelische Geiseln gegen rund 1.000 palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden und die Waffen für 42 Tage schweigen, Israels Armee würde sich aus Teilen des Gazastreifens zurückziehen. In dieser Zeit soll über weitere Freilassungen und einen langfristigen Waffenstillstand verhandelt werden.
Durchbruch möglich – auch dank Trump
Echo24 sieht zwei Faktoren, warum ein Deal jetzt klappen könnte:
„Der erste ist die Zerstörung der Hamas. Sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr Netzwerk von Verbündeten, von der Hisbollah bis zum Iran, ist zusammengebrochen. ... Der zweite Faktor ist Donald Trump, der sich als überzeugter Verteidiger Israels profiliert. Er hat wiederholt gewarnt, dass 'die Hölle losbrechen wird', wenn die Geiseln bis zu seinem Amtsantritt am 20. Januar nicht frei sind. Obwohl er das mit der Hölle nicht präzisierte, scheint er entschlossener zu sein als die zögerliche Biden-Regierung.“
Reichlich spät
Ein Deal wäre schon früher möglich gewesen, klagt Die Presse:
„US-Präsident Biden hat im vorigen Frühjahr die Grundzüge eines Abkommens vorgelegt, das eine Blaupause für das aktuelle ist. Eine Einigung schien auch damals in Reichweite, doch die Hamas und Netanjahu sperrten sich letztlich gegen Detailfragen – die sich ein halbes Jahr später, nach dem Tod des Hamas-Führers Yahya Sinwar im Oktober und dem Wahlsieg Trumps, in Luft aufgelöst haben. Den israelischen Geiselfamilien, vor allem aber der palästinensischen Zivilbevölkerung wäre viel Leid erspart geblieben. Doch Israels Premier spielte im Interregnum in Washington auf Zeit. Spätestens nach dem Tod des Terror-Masterminds Sinwar hätte Israel den Krieg beenden müssen.“
Humanitär nur beschränkte Wirkung
Das Leid der Bevölkerung von Gaza hört mit einem Kriegsende nicht automatisch auf, mahnt Irish Examiner:
„Nach 15 Monaten Krieg bleiben die großen Fragen zur kurz- und langfristigen Zukunft des Gazastreifens weitgehend unbeantwortet. Ein Ende der Militäraktionen ist zwar zu begrüßen, wird aber die unmittelbare humanitäre Katastrophe für die zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens nicht wesentlich lindern. Die logistische Aufgabe, ein Minimum an Nahrungsmitteln und Gesundheitsversorgung bereitzustellen, um eine sich zuspitzende humanitäre Katastrophe abzuwenden, bleibt eine gewaltige Herausforderung. Diese Aufgabe wird durch Maßnahmen der israelischen Regierung erschwert, die darauf abzielen, NGOs, die humanitäre Hilfe oder Unterstützung für die Bevölkerung von Gaza leisten, zu behindern.“
Langfristige Lösungsansätze fehlen
Für ein friedliches Zusammenleben in Nahost sind über einen Geiseldeal hinaus noch viele Aufgaben zu bewältigen, meint auch Der Standard:
„Nichts ist gelöst in diesem Konflikt, die größten Hürden stehen noch bevor. Wie soll das komplett zerstörte Gaza aufgebaut werden – und wer soll dafür die Verantwortung tragen? Wie können die Menschen in Israels Süden ohne Angst vor Raketenbeschuss leben, ohne dass man sich dabei auf eine Dauerpräsenz der israelischen Armee in Gaza stützt? ... Auf all diese Fragen gibt es bis heute keine Antworten. Israels Armee fordert sie zwar seit Monaten ein, die politische Führung weigert sich, sie zu geben. Trump mag mit seinem Druck für einen Waffenstillstands-Deal erfolgreich sein. Ob er der Richtige ist, um auch längerfristige Lösungen einzufordern, ist zu bezweifeln.“
Neue Ära, ewiger Netanjahu
La Stampa geht von einem erfolgreichen Deal aus und staunt über die politische Langlebigkeit des israelischen Premiers:
„Nun beginnt das dritte politische Leben von Benjamin Netanjahu. ... Er ist schon jetzt Israels langlebigster Führer. Politisch hat er fünf US-Präsidenten und unzählige europäische und internationale Regierungschefs überlebt. ... Nur Wladimir Putin kann mit ihm mithalten: Er überdauert ihn im Kreml, doch war er nie mit dem Dschungel der israelischen Proporzwahlen und der Parteienzersplitterung in der Knesset konfrontiert, wo akrobatische Koalitionsmehrheiten von kaum mehr als einer Stimme abhängen. ... Nun beginnt eine neue Ära, die durch das Ende des Krieges gegen die Hamas im Inneren und die neue (und alte) US-Präsidentschaft im Äußeren gekennzeichnet ist.“