Triumph und Niederlage in Spaniens rechtem Lager
Erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur wird wieder eine rechtsextreme Partei im spanischen Parlament sitzen: Vox, die sich für einen starken Zentralstaat und die "Verteidigung des Spaniertums" einsetzt, erreichte aus dem Stand rund zehn Prozent der Stimmen. Die Volkspartei PP muss hingegen die Zahl ihrer Abgeordneten halbieren. Wie kommt es zu den Erschütterungen in Spaniens konservativem Lager?
Was ist mit der Volkspartei passiert?
El País sucht nach Gründen, warum viele bisher treue PP-Wähler zu neuen Parteien des rechtskonservativen Spektrums abgewandert sind:
„Erstens schadeten die Korruptionsfälle dem Partei-Image. ... Zweitens gab die Katalonien-Krise den Mitbewerbern (Ciudadanos in der Mitte, Vox am extremen rechten Rand) die Chance, sich als legitime Repräsentanten in diesem für die PP-Wählerschaft wichtigsten Thema, der Territorialfrage, zu profilieren. Schließlich trug die starke Ideologisierung der neugewählten Parteiführung dazu bei, einen weiteren Stützpfeiler zu schwächen, der die verschiedenen Strömungen der Basis zusammengehalten hatte: eine 'weiche' Ideologie, die den Begriff konservativ im eigentlichen Sinne des Wortes verstand.“
Wähler ziehen Original der Kopie vor
Die PP hat mit einem Stimmverlust von 16,7 Prozent eine herbe Niederlage erlitten. Kein Wunder, hat sie doch einen bei Europas Konservativen verbreiteten Fehler wiederholt, erinnert L'Echo:
„In Großbritannien hat David Cameron aus Furcht vor Ukip den Brexit erfunden. In Ungarn hat sich Premier Viktor Orbán aus Angst, von Jobbik eingeholt zu werden, zum Verteidiger des Christentums und scharfen Kritiker des Islam ernannt, sich dabei jedoch in einer grotesken Rolle verfangen. In Brüssel hat die EU-Kommission während der Flüchtlingskrise auf Schließung und Verstärkung der Grenzen gesetzt und dabei ihre menschlichen Werte kaltblütig vernachlässigt. Diese ungeschickte Nachahmungsstrategie stärkt am Ende die extreme Rechte. Das ist die Regel, denn die radikalsten Wähler werden das Original immer der Kopie vorziehen.“
Enttäuschte Überläufer
Das Erfolgsrezept von Vox analysiert Irish Examiner:
„Das Wiedererwachen des spanischen Nationalismus ist Hand in Hand mit einer Wiederauferstehung des traditionellen spanischen rechtsextremen sozialen Konservatismus gegangen. Vox macht nicht nur gegen katalanische Separatisten und illegale Einwanderer, sondern auch gegen die Rechte von Frauen und Homosexuellen mobil. Und doch ist die extreme Rechte in der spanischen Demokratie nichts Neues. Die konservative spanische Volkspartei hat stets dem ganzen Spektrum rechter Wertvorstellungen eine politische Heimat geboten - von der gemäßigten bis zur extremen Rechten. Viele, die nun für Vox gestimmt haben, kommen vom rechtsextremen Flügel der Volkspartei, von der sie sich enttäuscht fühlen.“
Extremismus als Ventil
Dass extremistische Parteien eine wichtige Funktion für ein politisches System erfüllen, glaubt Público:
„Was, wenn die sogenannten Extremismen, sowohl im linken als auch rechten Teil des politischen Spektrums, nicht notwendigerweise ein Angriff auf die Demokratie sind? Was, wenn sie eher ein Fluchtventil für die demokratischen Systeme selbst sind, das die Integration einer immer größeren Zahl unzufriedener Bürger in ihre Dynamik ermöglicht? ... Wenn wir uns die Stimmen anschauen, die Vox erhalten hat, ist es nur schwer vorstellbar, dass Spanien schlagartig von zehn Prozent diktaturbegeisterten Franco-Anhängern überrannt wurde. Denn viele von ihnen sind Jugendliche, die in diesem Jahrtausend geboren wurden.“