Brexit: Soll die EU am Backstop festhalten?
Per Brief hat Großbritanniens Premier Boris Johnson einen neuen Versuch unternommen, die EU davon zu überzeugen, vom Backstop im Austrittsabkommen abzurücken. Er bot Gespräche über "alternative Vereinbarungen" an, Grenzkontrollen auf der irischen Insel zu verhindern. Ratspräsident Tusk tat auf Twitter allerdings seine Ablehnung kund. Medien spekulieren, ob die EU weiter hart bleiben kann.
Den Tories steht das Wasser bis zum Hals
Den Brief von Boris Johnson an die EU-Kommission wertet Svenska Dagbladet in erster Linie als reine Parteipolitik, da der Inhalt kaum als seriöse Verhandlungsgrundlage gewertet werden könne:
„Wenn die Tories nicht den Brexit liefern können, werden sie in der nächsten Wahl von der Brexit Party zermalmt. Also ist der harte Brexit die einzige Alternative für Johnsons Partei. Für die Tories geht es jetzt ums Überleben und die am wenigsten schlechte Variante ist dann, die Brexit Party selbst dadurch zu zermalmen, dass man den Brexit durchzieht. Völlig unabhängig von den Konsequenzen. Das ist die aktuelle Lage. Wie lange dann die Tories die Konsequenzen des Brexit überleben werden, ist die nächste Frage. Aber die steht auf einem ganz anderen Blatt.“
Ein Kompromiss wäre noch möglich
Die EU wird im Laufe der kommenden Wochen von ihrer sturen Haltung abrücken, glaubt The Daily Telegraph:
„Vermutlich wird die EU ein Angebot machen, den Backstop auf, sagen wir, 20 Jahre zu begrenzen. Dieses Angebot müsste dann natürlich von der irischen Regierung kommuniziert werden, damit es nicht so aussieht, als hätten die anderen EU-Staaten eines der kleinsten Länder unter Druck gesetzt. 20 Jahre wären für Großbritannien natürlich inakzeptabel. Doch wir sollten nicht vergessen, dass die EU stets nach der ganzen Hand verlangt, wenn sie nur einen Finger haben möchte. Selbst jene in der EU, die sich davor hüten wollen, Boris Johnson Zugeständnisse zu machen, könnten einen solchen Plan B unterstützen. Dieser würde zumindest sicherstellen, dass die EU nicht für etwaige negative Folgen eines No-Deal-Brexit verantwortlich gemacht wird.“
Johnson gibt sich als Verteidiger des Volkes
Dem britischen Premier geht es gar nicht um eine Lösung des Konflikts mit Brüssel, glaubt La Libre Belgique:
„Boris Johnson hat sich in eine verlogene Pokerpartie gestürzt, die sich an seine Wählerschaft richtet. Er weiß, dass die EU niemals zurückrudern wird. Er weiß, dass seine Parlamentsmehrheit auf nur einem Abgeordneten basiert und dass das Parlament, in dem einige Vertreter sowohl aus dem Labour- als auch aus dem Tory-Lager die Neuwahlen fordern, sich angesichts des drohenden No Deal, der (zu) teuer wäre, immer unwohler fühlt. Johnson bereitet daher bereits den Gang an die Urnen vor. Als Verteidiger des Volkes gegen das eurokratische Establishment verkleidet betreibt er Wahlkampf.“