Brexit: Was tun mit der irischen Grenze?
May trifft am heutigen Donnerstag erneut Juncker und Tusk, um auszuloten, ob es doch noch Spielraum für einen geordneten Brexit gibt. Es geht vor allem um den Backstop, die Garantie für eine offene Grenze auf der irischen Insel. Die EU hatte deutlich gemacht, dass dieser nicht zur Disposition steht - und auch viele Kommentatoren finden, dass die Lösung der Grenzfrage nicht in Brüssel zu suchen ist.
Karfreitagsabkommen als Vorbild
Die Grenzfrage auf der irischen Insel darf nicht London und Brüssel überlassen werden, meint der Kolumnist Diarmaid Ferriter in The Irish Times:
„Unsere Geschichte zeigt, dass es nichts bringt, darauf zu bestehen, dass Großbritannien dieses Problem alleine löst. Warum? Weil Großbritannien keine Lösung in Betracht ziehen wird, die die Interessen Irlands berücksichtigt. ... Die Lösung kann nur in einer erneuten Zusammenarbeit zwischen London, Belfast und Dublin liegen - mit Unterstützung der EU. Das wäre dann ein ähnliches Vorgehen wie beim nordirischen Friedensprozess, als sich die EU eher an der Seitenlinie hielt, bis eine Lösung konzipiert war. Diese Lösung konnte die EU dann politisch und wirtschaftlich unterstützen.“
Ein Königreich hat seinen Preis
Der im ausgehandelten Brexit-Deal festgeschriebene Backstop wird von Politikberater Blaise Bonvin in Le Temps gelobt. Eine Lösung der Grenzfrage müsse aber auf einer anderen Ebene gesucht werden:
„Kommt, wie der Brexit es verlangt, der Moment, an dem sich ein Land wieder auf sich selbst konzentriert, fokussiert es sich auch wieder auf seine Geschichte und seine Dramen. So wird das Vereinigte Königreich entweder erleben, dass Nordirland sich ein Stück weit ablöst oder dass ein ungelöster eingefrorener Konflikt wieder hochkocht. ... Ein Königreich hat eben auf die Dauer seinen Preis. Die Lösung für den Brexit ist daher politisch und kulturell. Sie ist Sache Großbritanniens und, in geringerem Maße, die Sache Irlands. Die EU kann nur verwaltungstechnische Ersatzlösungen anbieten, die im Übrigen recht gut ausgetüftelt sind.“
Steuer-Schmarotzer muss Zugeständnisse machen
Die EU sollte sich in der Grenzfrage weiter hinter Dublin stellen, das dafür der Gemeinschaft aber in einer Frage entgegenkommen muss, fordert Politologe Carlos Closa in El País:
„Die EU muss bereit sein, die Folgen des Brexits (einschließlich der wirtschaftlichen) für Irland abzufedern und sich auch dafür einsetzen, kreative Lösungen zur Grenzfrage zu finden. Dabei sollte sie auch die partielle Zugehörigkeit Nordirlands zur EU in Betracht ziehen. Aber die Republik Irland muss bereit sein, den anderen Staaten ein Signal der Solidarität zu senden, weil Steuer-Schmarotzerei in einer Solidargemeinschaft keinen Platz hat. Und vielleicht ist der Moment gekommen, Irland ein klares Signal zu senden, dass die als Einbahnstraße missverstandene Solidarität ihre Grenzen hat.“
Backstop bedroht die Einheit des Landes
Dass die nordirischen Unionisten der DUP ihre Regierungsbeteiligung in den vergangenen eineinhalb Jahren genutzt haben, um gegen den Backstop zu mobilisieren, lobt The Belfast Telegraph:
„Im Gegensatz zu gemäßigten und gutmeinenden Unionisten erkannten sie, dass der Backstop eine echte Bedrohung für die Einheit des Vereinigten Königreichs darstellte. Und sie waren bereit, im Kampf dagegen ihre Beliebtheit aufs Spiel zu setzen. Sie erwiesen sich dabei so beständig und entschlossen, dass man nun sowohl Brexit-Befürworter als auch gemäßigte Brexit-Gegner, die von Brüssels Unnachgiebigkeit frustriert sind, sagen hört: 'Gott sei Dank gibt es die DUP.' Und so hat man endlich das Gefühl, dass der Unionismus wieder zusammenfindet.“