Hoffnungsschimmer für russische Opposition?
Die Putin-Partei Geeintes Russland hat bei der Wahl am Sonntag in den meisten Regionen die Mehrheit verteidigt. Nur in Moskau erlitten die Kreml-treuen Kandidaten herbe Verluste, viele Stimmen gingen an Unabhängige, Kommunisten und Liberale. Insbesondere die Wahlstrategie des Oppositionellen Alexej Nawalny steht im Fokus der Medien.
Nawalnys Strategie war erfolgreich
Der Russland-Korrespondent von Le Figaro, Alain Barluet, beurteilt das Ergebnis positiv:
„Zwar behalten die Regierungstreuen in der Moskauer Stadtduma die Mehrheit, doch bieten die Lehren aus der Wahl Anlass zur Sorge für Wladimir Putin. Denn allen Erwartungen zum Trotz hat die Wahl den Erfolg des von Alexej Nawalny verbreiteten 'intelligenten Abstimmens' belegt. Die Galionsfigur der liberalen Opposition hatte Wahlkreis für Wahlkreis Anweisungen für die Stimmabgabe erteilt - mit dem Ziel, die Regierungskandidaten zu schlagen. Die Methode, die bis in die Opposition hinein umstritten war, hat sich als effizient erwiesen und zur Niederlage mehrerer Kandidaten geführt.“
Nur ein symbolischer Sieg
Die Strategie des Oppositionellen Alexej Nawalny, den Kreml mit der Wahl von Kandidaten der systemtreuen Opposition zu schwächen, könnte schiefgehen, warnt hingegen Der Standard:
„Wie Nawalny nun mit diesen Abgeordneten Politik machen will, ist unklar. Die Werte, die sie vertreten (wenn überhaupt), sind nicht seine. Dies ist die größte Schwäche der Nawalny-Strategie: Er hat zwar für den Augenblick seinen Einfluss dokumentiert, doch ins Amt gebracht hat er größtenteils stromlinienförmige Abgeordnete, die sich der Moskauer Stadtverwaltung wohl problemlos unterordnen. Insofern ist der Sieg für die Opposition eher symbolisch. Echten Einfluss wird sie auch in Zukunft nicht ausüben.“
Demokratie blieb wieder auf der Strecke
Auch in Hinblick auf die Wahlbeteiligung von nur rund 22 Prozent warnt der Journalist Anton Orech in Echo Moskwy vor einer Überbewertung des Ergebnisses:
„Vier von fünf Wahlberechtigten haben die Wahl entweder boykottiert, ihnen ist alles egal oder sie haben es satt. Ungeachtet der überkochenden Emotionen hat die große Mehrheit auf ihr Wahlrecht verzichtet! Die Stadt wird also sozusagen von den Kandidaten einer Minderheit regiert. 'Sozusagen', weil ich die Stadtduma für eine halbdekorative Versammlung halte, die sich ihre Zeit interessant vertreibt - und jetzt vielleicht etwas interessanter. Aber das Schicksal der Stadt entscheidet sie nicht. Denn kein einziges repräsentatives Organ in Russland handelt vollwertig souverän, von der Staatsduma bis hinunter in die kleinste Gemeinde.“
Behörden sind nervös
Die russische Regierung und ihre Behörden entfernen sich immer weiter von den Bürgern, beobachtet Keskisuomalainen:
„Die Annexion der Krim hatte Putin kurzzeitig innenpolitische Popularität beschert. Jetzt hat seine Beliebtheit wieder abgenommen und die Kluft zwischen den Behörden, die das bestehende System verteidigen und den Russen, die Veränderung wollen, wird breiter. ... Immer öfter ärgern sich die Bürger über Probleme bei der lokalen Müllbeseitigung, die Folgen der unbeliebten Rentenreform und die Korruption. Putins Regierung ist nicht in der Lage gewesen, auf die Kritik zu reagieren, stattdessen wird immer härter reagiert. Das zeigt, wie nervös die russischen Behörden sind.“