Renzi verlässt seine Partei
Italiens ehemaliger Premier Matteo Renzi will aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) austreten und eine eigene Bewegung gründen. Die junge Regierung aus Movimento Cinque Stelle (M5S) und PD wolle er mit einer neuen Fraktion unterstützen. Kommentatoren bewerten das kritisch.
Der Auferstandene
Das ist Renzis Rache, vor allem an PD-Chef Zingaretti, glaubt Chefredakteur Alessandro Sallusti in Il Giornale:
„Die neue Partei betritt durch eine 'nicht-feindliche Spaltung', wie die Anhänger von Renzi selbst sagen, die politische Bühne. Was 'nicht-feindlich' bedeutet, ist hier jedoch ein Rätsel, denn die Abspaltung schwächt den PD von Zingaretti in jeder Hinsicht. Renzi steigt aus, gründet sein eigenes Unternehmen, und greift dabei auf die umfangreichen öffentlichen Mittel zurück, die [parlamentarischen] Fraktionen gewährt werden. Er wird mit seiner Delegation an allen Verhandlungstischen sitzen und, was entscheidend ist, sich eine beachtliche Quote der rund vierhundert Ernennungen [für die Ämter des Regierungsapparats] sichern, ohne Zingaretti darum bitten zu müssen. ... Nicht schlecht für einen, den man noch vor ein paar Wochen noch totgesagt hat.“
Sagenhaft ungünstiges Timing
Renzis Abspaltung könnte letztlich vor allem seinem größten Gegner nutzen, vermutet Der Standard, zeichnet doch
„Renzis Neustart im September 2019 ebenjene Vermessenheit aus, die schon im Dezember 2016 seine Regierungszeit so abrupt beendet hat. Damals spielte er den Ausgang des Referendums über seine tatsächlich notwendige Verfassungsreform zur Schicksalsentscheidung hoch. Dieser Tage ist es das Timing, das sagenhaft ungünstig anmutet: allen voran für die neue Koalition Italiens, in die Renzi seine ehemalige Partei selbst geführt hat und die nun auf noch wackeligeren Beinen steht. So könnte am Ende ausgerechnet jener Mann profitieren, den Renzi mit seiner neuen Partei gezielt bekämpfen möchte: Matteo Salvini.“
Das kann Italien gerade gar nicht gebrauchen
Eine weitere Fraktion bringt einen weiteren Unsicherheitsfaktor in die Politik, ärgert sich La Stampa:
„Die Regierung hat sich gerade erst gebildet, und Italien kann jetzt, wo sich der Risikoaufschlag für Staatsanleihen dem deutschen Wert annähert und der Dialog mit der EU funktioniert, keinen neuen Faktor der Instabilität gebrauchen, wie es die Geburt einer Partei ist, die die Mehrheit erschüttern kann. ... Die neue Formation von Renzi wird aller momentanen Versprechen zum Trotz dem PD und dem M5S das Leben schwer machen. Die Fraktion wird bei jedem Thema die Latte höher legen, allein schon um zu zeigen, dass sie existiert.“
Schwaches Bündnis für potenzielle Überläufer
Renzis Argument, die politische Mitte füllen zu wollen, überzeugt Corriere della Sera nicht:
„Die Idee wirkt schlau und verzweifelt zugleich. … Es handelt sich augenscheinlich um den Versuch, einen 'zentristischen' Raum zu besetzen, den das Regierungsbündnis unbeachtet ließ, und in diesem Niemandsland die Überbleibsel der [konservativen Berlusconi-Partei Forza Italia] FI aufzugreifen - also jene Wähler, die sich verwaist und nicht mehr repräsentiert fühlen. Doch die Glaubwürdigkeit und die Erfolgsaussichten der Operation sind fraglich. Letztlich würde sie eine Union der Schwächen bilden, anstatt ein großes Projekt zu entwerfen. Außerdem würde sie das Überläufertum zusätzlich fördern.“