Rassismus-Vorwurf gegen Kanadas Premier Trudeau
Ein Foto, auf dem Kanadas Premier Justin Trudeau als Aladin verkleidet und schwarz angemalt zu sehen ist, bringt den liberalen Politiker mitten im Wahlkampf in Erklärungsnöte. Das Bild wurde 2001 auf einem Kostümball mit dem Motto "Arabische Nächte" aufgenommen. Trudeau entschuldigte sich für die Verkleidung und sagte, er habe damals nicht gewusst, dass sie rassistisch sei. Ist die Aufregung übertrieben?
Wir brauchen wohl neue Märchen
Dmitri Drize kann auf Kommersant FM den Rummel um den Premier nicht verstehen:
„Er ist für die Gender-Gleichstellung, für Toleranz und Duldsamkeit. Er hat in Kanada Marihuana völlig legalisiert. Justin Trudeau hat als erster kanadischer Spitzenpolitiker die alljährliche Gay-Parade in Toronto besucht. ... Hotels werden gern nach Aladin benannt. Arabische Nacht - stilisierte Aufführungen mit dem fliegenden Teppich, Dschinn und Prinzessin Budur. Aber jetzt stellt sich heraus: Das ist Rassismus. Der arme Trudeau wusste das vor 18 Jahren nicht. Er konnte nicht einmal daran denken. Sie hatten nur sorglosen Spaß. Also sind heute neue Märchen gefragt. Wer wird der wichtigste Held darin sein? Eine geschlechtslose Person ohne Hautfarbe. Ohne Glaube, ohne Volksstamm. Das alles ist sehr traurig.“
Selbst auf politisch Korrekte ist kein Verlass
Trudeau hat mit seiner politischen Korrektheit ein System geschaffen, in dem er nun selbst unterzugehen droht, stellt der Chefredakteur von Welt am Sonntag, Johannes Boie, mit einer gewissen Schadenfreude fest:
„Die Kanadier fragen sich, ob Trudeau nicht nur als junger Mann gerne Verkleidungen trug, sondern ob nicht auch 'korrektester Premierminister aller Zeiten' nur eine Rolle ist, die sich der begabte Schauspieler übergeworfen hat. 'Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche' hat F. W. Bernstein mal gedichtet, und ich glaube, das trifft auf viel mehr Menschen als nur auf Trudeau zu. Seien es die Klimaaktivisten, deren Langstreckenflüge man auf ihren Instagrambildern bewundern kann [oder] Politiker, die grenzenlos liberal sind, die ihre eigenen Kinder aber lieber auf eine Privatschule schicken, weit weg von den Herausforderungen, die mit Migration einhergehen.“
Schizophrener Antirassismus
Der Kampf gegen Rassismus heizt diesen weiter an, meint Alain Destexhe, früherer belgischer Senator und Gründer der rechten Partei Liste Destexhe, in Causeur:
„Während es den Weißen zunehmend untersagt wird, sich als Schwarze zu verkleiden, wächst die Anzahl an Sendungen, Filmen und Serien, die Weiße kritisieren oder sich über sie lustig machen wie Dear White People auf Netflix und die Verbalattacken des berühmten Komikers Trevor Noah, Star der Daily Show. Laut Le Monde ist dies sogar der neuste Trend im US-amerikanischen Web. Unsere Gesellschaft wird immer schizophrener. Sie verurteilt jede Form von Rassismus. Gleichzeitig verweist sie uns, wie Präsident Macron sagen würde, zunehmend auf anhand von Rassenkriterien definierte Identitäten, wodurch die Rassenspannungen, die sie eigentlich bekämpfen will, geschürt werden. Antirassismuskämpfer sind pyromanische Feuerwehrleute.“