Sind Wahlen in der Ostukraine der richtige Weg?
Tausende Menschen haben am Wochenende in der Ukraine gegen Kiews Zustimmung zur sogenannten Steinmeier-Formel protestiert. Diese sieht Wahlen und einen Sonderstatus für die ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk vor, aber auch eine Kontrolle der Grenze zu Russland durch ukrainische Kräfte. Europas Presse diskutiert, welche Chancen und Risiken der Kompromiss bietet.
Ein Schritt in Richtung Deeskalation
Die prorussische Tageszeitung Duma erklärt, was es bedeutet, dass Kiew die Steinmeier-Formel angenommen hat:
„Die Unterschrift der Ukraine ist zweifellos ein wichtiger Schritt in Richtung einer Deeskalation und einer Wiederherstellung des Friedens. Doch es ist noch zu früh, um ins Siegeshorn zu blasen. Die Formel des deutschen Präsidenten regelt den politischen Part des Minsker Abkommens. Sie ist der Ausgangspunkt, um politische Lösungen zu schaffen: Verfassungsänderungen, die Einrichtung eines Sonderstatus und die Abhaltung von Wahlen in den Volksrepubliken Donezk und Luhansk. … Der Weg zu einem dauerhaften Frieden wird jedoch alles andere als eben sein, weil die alte nationalistische Elite weiterhin versuchen wird, die Bemühungen der neuen Machthaber zu sabotieren.“
Der Kreml kommt seinem Ziel näher
Das oppositionelle Onlineportal Jeshednewny Shurnal sieht in dem Kompromiss einen doppelten Etappensieg für den Kreml:
„Zum einen werden Wahlen in den Volksrepubliken Donezk und Luhansk auf dem Staatsgebiet der Ukraine Verwaltungen legitimieren, die vom russischen Besatzungsregime geschaffen wurden. Sie verwandeln eine Bande in 'legal gewählte Volksvertreter'. Zum anderen ist der sogenannte Besondere Status genau das, was der Kreml all die Jahre erreichen will: Ein Teil des ukrainischen Territoriums wird faktisch 'nicht ganz Ukraine' sein. Die Nebenwirkungen sind dabei äußerst wichtig: Jegliche politische Turbulenz in der Ukraine spielt dem Kreml ganz offensichtlich in die Hände. Denn das wahre Ziel der russischen Politik gegenüber der Ukraine ist die Zerstörung ihrer Staatlichkeit.“
Noch hat Selenskyj Rückhalt
Es könnte ein guter Zeitpunkt für Wahlen in der Ostukraine sein, spekuliert Helsingin Sanomat:
„Warum hat sich Selenskyj entschlossen, einen Plan voranzutreiben, der in der Ukraine auch viele Gegner hat? Vermutlich glaubt er, dass es einen besseren Moment nicht geben wird. Er hat gerade die Präsidentschafts- und die Parlamentswahlen gewonnen. Noch hat er Rückhalt. Und vielleicht hat Russland auch wirklich begonnen, umzudenken. Normalerweise würden die USA im Hintergrund das Eingehen eines solchen Risikos unterstützen. Jetzt ist die Lage unklar. Präsident Donald Trump bezeichnet im Fernsehen die Ukraine als korrupten Pufferstaat und nutzt die gewährte Hilfe als Druckmittel. Vielleicht ist Selenskyj der Ansicht, dass Abwarten die Lage auch nicht verbessert.“
Krieg führen ist leichter als Frieden finden
Wer Frieden will, muss einen Popularitätsverlust riskieren, meint Juan Manuel Santos, Ex-Präsident von Kolumbien, in einer Rede auf der Yalta-European-Strategy (YES) Konferenz in Kiew, die von Nowoje Wremja veröffentlicht wird:
„Ich wurde 2010 gewählt, da ich im Krieg sehr erfolgreich war. Aber sobald ich mit den ehemaligen Feinden verhandelte, nahm meine Popularität ab - man nannte mich einen Verräter. ... Frieden zu erreichen bedeutet, eine Grenze zwischen Frieden und Gerechtigkeit zu ziehen. Und es wird immer diejenigen geben, die mit Entscheidungen nicht einverstanden sind. ... Dies ist der politische Preis, den Sie für den Frieden zahlen müssen. Wenn Sie Frieden wollen, müssen Sie bereit sein zu Zugeständnissen. ... Frieden zu finden ist viel schwieriger als den Krieg fortzusetzen, und auf jeden Fall riskieren Sie Ihr politisches Kapital.“