EuGH rügt Spaniens Umgang mit Separatist Junqueras
Der EuGH hat entschieden, dass der katalanische Separatist Oriol Junqueras seit seiner Wahl ins Europaparlament im Juni Immunität genießt. Spanische Behörden hätten ihn nicht am Antritt seines Mandats hindern dürfen. Spaniens Oberstes Gericht verurteilte den ehemaligen Regional-Vizepräsidenten im Oktober zu 13 Jahren Haft wegen Aufruhrs. Journalisten skizzieren, welche Folgen nun der Luxemburger Richterspruch haben könnte.
Jetzt nicht mit ranzigem Patriotismus antworten!
Die spanische Justiz muss jetzt extreme Sorgfalt walten lassen, um das Vertrauen in ihre Tätigkeit nicht zu gefährden, mahnt El Periódico de Catalunya:
„Es handelt sich um eine schallende juristische Ohrfeige. Sie ist hinsichtlich der politischen Rechte von Junqueras, die laut Urteil verletzt wurden, ebenso gravierend wie hinsichtlich des Rufs der spanischen Justiz und somit der spanischen Demokratie. ... In einem Prozess, der innerhalb und außerhalb des Landes von Anbeginn äußerst kritisch beobachtet wurde, droht ein solches EuGH-Urteil den Obersten Spanischen Gerichtshof zu beschädigen, der als wichtige Stütze der spanischen Demokratie keinerlei Zweifel an seiner Tätigkeit aufkommen lassen darf. Jetzt bleiben nur die volle Anerkennung und die strikte Umsetzung des Urteils ohne jegliche ranzig-patriotische Schachzüge.“
EU-Parlament kann Zerfall Spaniens nicht wollen
Der Richterspruch bedeutet nur auf den ersten Blick einen Triumph für die Separatisten, erklärt der Spanien-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Thomas Urban:
„Vermutlich wird das Europaparlament die Immunität Junqueras' nun aufheben; es liegt in der Natur der Sache, dass die anderen Europäer den Zerfall eines wichtigen EU-Mitgliedstaats nicht hinnehmen wollen. Junqueras wird wohl im Gefängnis bleiben. Das Problem kann weder von europäischer Justiz noch europäischer Politik gelöst werden. Das müssen die Spanier tun. Dennoch könnten die Europaabgeordneten eine wichtige Rolle spielen. Die europäischen Christdemokraten und die Liberalen sollten ihren Parteifreunden in Madrid beibringen, dass die Katalonien-Krise nicht mit drastischen Haftstrafen oder mit ruinösen Geldbußen gelöst werden kann, sondern nur durch Kompromisse.“
Mit Europas Hilfe spanische Probleme lösen
Das in Spanien nun vor allem von rechts außen ertönende EU-Bashing ergibt gerade jetzt überhaupt keinen Sinn, ärgert sich La Vanguardia:
„Vox-Anhänger sehen das Urteil als Schmähung Spaniens und nutzen es mit offener Europafeindlichkeit als Ansporn für einen hypothetischen Spexit (Spaniens EU-Austritt). Derartige Reaktionen halten wir für völlig fehl am Platz. Denn es geht in keiner Weise um eine Demütigung Spaniens durch Europa. Schließlich ist Spanien kein Gegenspieler, sondern ein Teil Europas. Und die Konflikte innerhalb des Landes - deren Lösung uns hier so schwerfällt - lassen sich in Zusammenarbeit mit Europa leichter lösen.“
Das Hornissennest wartet schon
Dass die Rüge des Gerichtshofs die politische Wiederannäherung zwischen dem mit der Regierungsbildung beauftragen Premier Pedro Sánchez und den Separatisten zu lähmen droht, fürchtet Corriere della Sera:
„Mit der Schockwelle, die die Konfrontation zwischen der europäischen Justiz und der spanischen Politik ausgelöst hat, sind mit einem Male neue Hindernisse für die Regierungsbildung in Madrid aufgetaucht. … Wird Junqueras, der aus dem Gefängnis heraus mit Premierminister Sánchez verhandelt hat, den Dialog fortsetzen können, ohne als Verräter der katalanischen Heimat oder vom Neid auf den Triumph seines Verbündeten und Rivalen Puigdemont getrieben zu erscheinen? Ein Urteil und ein ganzes Hornissennest voller Konsequenzen.“