Italien: Di Maio tritt als Cinque-Stelle-Chef ab
Kurz vor zwei Regionalwahlen in Italien gibt Luigi Di Maio sein Amt an der Spitze des Movimento Cinque Stelle ab. Außenminister will der 33-Jährige aber bleiben. Europäische Medien diskutieren die Gründe für Di Maios überraschenden Schritt und fragen sich, ob nun die Regierungskoalition in Rom ins Wanken gerät.
Vorsorglich das Handtuch geworfen
Die Furcht vor einem Debakel bei der Regionalwahl am Sonntag war wohl groß, amüsiert sich La Repubblica:
„Wie ein dunkles Omen kommt der Rücktritt von Di Maio fast am Vorabend der Wahlen in der Emilia Romagna und in Kalabrien. Es ist ein eher sonderbares Verhalten, denn die Abschiede erfolgen in der Regel nach einer Niederlage, nicht vorher. Doch in diesem Fall scheinen die Cinque Stelle so angeschlagen, dass die Niederlage als sicher gilt. Deshalb hat Di Maio es vorgezogen, im Voraus zu handeln. Vielleicht nicht zuletzt in der Hoffnung, die Wähler aus der Apathie zu wecken mit dem Versprechen einer allgemeinen, eher mysteriösen Erneuerung der Bewegung.“
Koalition in Rom droht Schiffbruch
Nach di Maios feigem Manöver könnte die gesamte italienische Regierung baden gehen, fürchtet Corriere del Ticino:
„Luigi Di Maio sagt, dass er sich von der Spitze der Bewegung zurückzieht, den Kampf aber fortsetzen werde, obwohl ihm jemand aus den eigenen Reihen in den Rücken gefallen sei. Böse Stimmen aber sagen, dass der junge Parteichef angesichts des immer geringeren Konsens innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung und mit Blick auf die Regionalwahlen am kommenden Sonntag das Ruder abgegeben hat, um sich nicht für ein mögliches und x-tes Scheitern verantworten zu müssen. Mit einem solchen Koalitionspartner, der gänzlich haltlos wirkt, riskiert nun jedoch die gesamte Regierung, Schiffbruch zu erleiden.“
Zu beliebig zum Regieren
Das Schicksal Di Maios steht für die ganze Bewegung M5S, kommentiert die Süddeutsche Zeitung:
„Im Widerstand gegen Establishment, Berufspolitiker und 'Eliten' aufgestiegen, laufen die Sterne Gefahr, wie Sternschnuppen zu verglühen. Ihre ideologische Beliebigkeit, in der Opposition eine Stärke, wurde an der Regierung zur Schwäche. Erst koalierten sie mit der Rechten, dann mit der Linken; mal wettern sie gegen Europa, dann beschwichtigen sie; hier machen sie sich für, dort gegen Flüchtlinge stark. Die Wähler wenden sich ab. Und der 33-jährige Di Maio, der seine Unerfahrenheit als Tugend pries, erlebt, wie schnell ein Politiker heute in Italien altert.“
Selbst verursachtes Chaos
Innerparteiliche Strukturprobleme und die Koalition mit dem PD waren der Sargnagel für Di Maio und seine Partei, analysiert der Politikwissenschaftler Mattia Zulianello auf dem Blog Europp:
„Das Fehlen von Mechanismen, um intern angemessen mit Konflikten umzugehen, machte es unmöglich, den Wählern die Gründe, Erwartungen und Vorteile der strategischen Neupositionierung glaubhaft zu vermitteln. Cinque Stelle misslang es, eine kohärente und konstante Botschaft zu kommunizieren, und das wurde durch das außerordentliche Chaos in der Partei zusätzlich erschwert. ... Die Folgen können wir heute sehen: Eine Partei, die keine klare Richtung hat, von internen Konflikten zerfressen ist und eine Reihe von Wahldebakeln erlebt hat.“