Nordmazedonien und Albanien auf dem Weg in die EU?
Die Europaminister der EU-Staaten haben sich in einer Videokonferenz am Dienstag darauf geeinigt, Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen. Noch im Oktober war das Vorhaben unter anderem am Widerstand von Frankreich gescheitert, das nun aber nach einer Reform des Aufnahmeverfahrens ebenfalls grünes Licht gab. Ungeteilte Freude herrscht in den Kommentarspalten dennoch nicht.
In Skopje braucht es eine neue Führung
Kurir sieht schlechte Zeiten auf Ex-Premier Zoran Zaev und die amtierende kommissarische Regierung zukommen:
„Als erstes werden die Pflicht-Verhandlungskapitel 23 und 24 angegangen, in denen es um Rechtsstaatlichkeit und Innere Angelegenheiten geht. Das bedeutet, dass die EU-Prüfer Zaevs Erpressungs- und Korruptionsskandale und Ähnliches ans Licht bringen werden. Und das wiederum bedeutet für Sie, lieber Herr Zaev, dass Schluss ist mit den Geschenken und dem Rückenwind von der EU. Wir werden unseren Leidensweg in die Union mit einer anderen Regierung an der Spitze gehen müssen, die sich nicht für Ihre schmutzige Wäsche schämen muss.“
Wie das Orchester auf der Titanic
EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi schrieb auf Twitter, er sei "sehr glücklich" über den Beginn der Verhandlungen. Le Figaro kann ihm nicht zustimmen:
„Diese Worte sind eine Provokation der Elite an der Macht, gerichtet gegen die Menschen auf diesem Kontinent: Nichts hält den Fortschritt auf - die Erweiterung - und ganz sicher nicht eure Tränen und euer Blut. Sie offenbaren eine Flucht in die Realitätsverweigerung. Eine ganze Welt geht unter, die Corona-Epidemie begräbt endgültig die Illusion einer europäischen Solidarität. ... Die Ankündigung der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nord-Mazedonien klingt nun wie das Orchester der Titanic. ... Die europäischen Führungskräfte wie Herr Várhelyi sollten lieber die Augen öffnen und sich auf die Veränderung der Welt einstellen, statt sich in Obsessionen aus einer vergangenen Epoche zu verkrallen.“
Ein wichtiges Signal
Das Wirtschaftsportal Portfolio findet die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit den beiden Ländern mitten in der Krise hingegen bemerkenswert:
„Das ist zweifellos eine große Entscheidung und eine wichtige Entwicklung. Beim EU-Gipfel im Herbst haben diese Länder unter anderem wegen Frankreichs Veto kein grünes Licht bekommen. Seitdem wurde die Strategie der Anschlussverhandlungen überarbeitet, und nun neigte auch Frankreich zur Gesprächsaufnahme. Es ist eine wichtige Entwicklung, da diese Entscheidung mitten in einer riesigen Krise getroffen wurde und damit in einer Zeit, da einige die Resilienz der EU und der Eurozone sogar grundsätzlich infrage stellen.“