Hadsch und Opferfest: Nichts mehr, wie es war?
Unter strengen Auflagen und mit nur rund 1.000 in Saudi-Arabien wohnhaften Pilgern hat am Dienstag, kurz vor dem islamischen Opferfest, der Hadsch begonnen. Normalerweise reisen zu der Pilgerfahrt jedes Jahr mehr als 2,5 Millionen Muslime aus aller Welt nach Mekka, um zusammen zu beten und zu essen. Kommentatoren erklären, wie die Corona-Pandemie den Hadsch und das Opferfest verändert.
Schlecht fürs Image, schlecht für die Kasse
Für Saudi-Arabien ist der reduzierte Hadsch ein schwerer Schlag, kommentiert Polityka:
„Abgesehen von der religiösen Bedeutung der Pilgerreise, die für jeden Muslim mindestens einmal im Leben ein Muss ist (es sei denn, Gesundheitszustand oder Geldmangel lassen dies nicht zu), ist sie für das ultra-konservative Königreich eine wichtige Gelegenheit, als Soft Power aufzutreten, sowie eine Injektion in die Volkswirtschaft. Es wird geschätzt, dass Saudi-Arabien und die Tourismus- und Hotelbranche in der heiligen Stadt jedes Jahr bis zu zwölf Milliarden US-Dollar durch Pilger verdienen – etwa acht Milliarden allein in der Woche des Opferfests.“
Saudisches Königreich in tiefer Krise
Dass Saudi-Arabien das Pilgern trotz der Pandemie nicht absagt, zeigt, wie schlecht es dem Königreich zurzeit geht, analysiert France Inter:
„Der Hadsch nährt eine Alltagswirtschaft: Hotels, Märkte, Verkehrsmittel, Souvenirläden, Reiseleiter, Restaurants. … Mit anderen Worten: In einem bereits stark vom Einbruch des Ölpreises gebeutelten Land leiden insbesondere die normalsterblichen Saudis. … Saudi-Arabien gelingt derzeit nichts: Seine außenpolitischen Initiativen sind ein Desaster, vom Jemen über Libyen bis zur Katar-Blockade. Ganz zu schweigen von der Affäre um den ermordeten Journalisten Khashoggi, die das Image des Regimes ruiniert hat. Und das Schlimmste steht möglicherweise noch bevor: König Salman ist 84 Jahre alt und liegt seit 20. Juli wegen einer Infektion im Krankenhaus. Er sitzt erst seit 5 Jahren auf dem Thron. Und wer kann heute sagen, dass seine Nachfolge in der Person seines Sohns gesichert ist?“
Sinnentleertes Ritual
Die Tradition, beim Opferfest ein Tier zu schlachten und das Fleisch an Familie, Nachbarn und Bedürftige zu verteilen, verliert nicht nur wegen Corona immer mehr seine Bedeutung, klagt die islamisch-konservative Yeni Şafak:
„Soweit wir es verstehen, gehört zu den Ritualen dieser Andacht, dass die opfernde Person beim Opfer bleibt, die Ausblutung erlebt und die notwendigen Voraussetzungen schafft, damit Familienmitglieder sich des Dienstes an Gott bewusst werden. ... In der Pandemie wird dazu geraten, diesen Dienst in einer hygienischen Umgebung, ohne Berührung und mit Abstand zu erfüllen. Dadurch verbreitet sich die Methode, dass jemand stellvertretend opfert, ohne dass man selbst das Opfer sieht. Schon in normalen Zeiten hat die Methode, das Opfern in Auftrag zu geben und dann in den Urlaub zu fahren, solche Dimensionen angenommen, dass zu fragen ist, wie sehr das noch mit den islamischen Normen vereinbar ist.“