Antisemitismus-Vorwurf gegen Ungarn
Weil der deutsche Europastaatsministers Michael Roth (SPD) sich in einem Interview kritisch zu Ungarn geäußert hat, hat das ungarische Außenministerium den deutschen Botschafter in Budapest einbestellt. Roth hatte davon gesprochen, dass der in Ungarn grassierende Antisemitismus mit ein Grund für die Eröffnung des Artikel-7-Verfahrens gewesen sei. Ist der Vorwurf gerechtfertigt?
Erstmal vor der eigenen Türe kehren
Der deutsche Staatsminister sollte sich besser mit dem Antisemitismus im eigenen Land beschäftigen, rät die regierungsnahe Magyar Hírlap:
„Auch in anderen Hauptstädten äußert Roth gerne seine Meinung darüber, welche politischen Kräfte die deutschen Sozialdemokraten als Vertreter des entwickelten Westens gerne an der Macht sehen und welche nicht. Die nationalen, christlichen und konservativen Regierungen zum Beispiel gefallen ihm offenbar wenig. ... Falls sich Herr Roth einmal in Deutschland umsähe, bekäme er ja wirklich Einiges zu sehen. Der wachsende Antisemitismus ist dort und in anderen westeuropäischen Ländern seit Jahren Thema. ... Für den Zusammenhang zwischen Einwanderung und Antisemitismus sind Roth und die anderen selbstverständlich blind. Gegen wie viele Mitgliedstaaten müsste man sonst ein Artikel-7-Verfahren führen?“
Budapest ignoriert das Wesentliche
Dass sich die ungarische Regierung auf eine Randbemerkung konzentriert und dabei die Hauptkritik des deutschen Europastaatsministers ignoriert, kritisiert Népszava:
„Von den zahlreichen Behauptungen pickte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó nur eine einzelne heraus, in der sich der Sozialdemokrat auf den Antisemitismus in Ungarn und Polen bezog. ... Inzwischen betont Roth insbesondere, dass von der kollektiven Verantwortung einer Nation nicht die Rede sein kann. Auf Roths Äußerungen bezüglich der Medienfreiheit und darüber, dass die demokratische Kultur gefährdet wird, wenn ein bestimmter Kreis die Presse unter Kontrolle nimmt, hat der Außenminister erst gar nicht reagiert.“