Türkei: Regierung sagt Nationalfeier ab
Die türkische Regierung hat mehrere Veranstaltungen abgesagt, mit denen der Tag des Sieges gefeiert werden sollte - offiziell wegen der Corona-Pandemie. Kritiker werfen Erdoğan vor, republikanische Feiertage zu meiden, während die Eröffnung der Hagia Sophia zur Moschee noch groß gefeiert wurde. Der Tag des Sieges erinnert an die Schlacht von Dumlupınar im August 1922.
Endlich einseitige Geschichtserzählung aufgeben
Die Chance auf einen umfassenderen Blick auf den eigenen Werdegang, einschließlich der osmanischen und islamischen Geschichte, sieht Yeni Şafak:
„Die Geschichtserzählung, die bisher nur um Mustafa Kemal [Atatürk] kreiste, die Schlacht am Sakarya in den Mittelpunkt stellte und als die Geburt eines völlig neuen Türkentums dargestellt wurde, hat sich gewandelt. Die Erzählung, die säkular und nationalistisch war und rein auf der Ära der Republik fußte, tut sich jetzt mit dem Islam zusammen. Das ist gleichzeitig ein Wandel im Geschichtsbewusstsein sowie im Staatsbewusstsein. In diesem Wandlungsprozess wird die Perspektive, die sich allein auf das letzte Jahrhundert konzentrierte und die osmanische und islamische Geschichte ausschloss, zurückgelassen. Es wird eine Haltung eingenommen, die sich damit versöhnt.“
Republikanische Siege nicht abwerten
Selbst die regierungsnahe Kolumnistin Nagehan Alçı betont in Habertürk, dass eine Absage der offiziellen Zeremonien die Gesellschaft polarisiert:
„Ich bin dafür, dass der Tag des Sieges am 30. August mit großer Begeisterung gefeiert wird. Die AKP muss gegenüber der Schlacht von Dumlupınar anno 1922 genauso sensibel sein wie gegenüber der Schlacht von Malazgirt anno 1071 [in der die türkischen Seldschuken das byzantinische Heer schlugen]. ... Ein entgegengesetztes Verhalten spaltet unnötig die Gesellschaft. Sowohl Malazgirt als auch Dumlupınar sind das Werk dieser Nation. Wir müssen endlich unsere Eigenart überwinden, uns über Historisches zu streiten.“