Wo die Tourismus-Flaute zur Existenzbedrohung wird
Reisewarnungen, Quarantäneauflagen, Beherbungsverbote, ausbleibende oder in letzter Minute stornierte Buchungen: Der Tourismus-Sektor wird von der Corona-Krise besonders hart getroffen, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Beobachter beschreiben fatale Folgen für die Menschen, die mit Urlaubern ihr täglich Brot verdienen, und für die Umwelt.
Reisen ist gut für den Umweltschutz
Der Einbruch bei internationalen Reisen trifft vor allem Entwicklungsländer massiv, erklärt The Times:
„Denken Sie an den Mann, der für Fahrten mit einem Kleinbus vom Flughafen zur Luxus-Safari-Lodge in Tansania bezahlt wird und damit eine achtköpfige Familie versorgt. Denken Sie an den Mensch, die den Motor eines Schnellboots in Stand hält, das für die Tauch-Ausflüge eines Fünf-Sterne-Hotels auf einer thailändischen Insel eingesetzt wird. Oder denken Sie an den Mann mit einem Straßenstand, der Wanderschuhe in Kathmandu repariert. Tourismus bringt vielerorts nicht nur Geld. Und es ist der Tourismus-Dollar, der das tropische Riff am besten vor den Dynamitfischern oder den ugandischen Gorilla am ehesten vor der Kugel des Wilderers schützt. Venedig wird nach einigen Jahren relativer Armut immer noch stehen. Aber wie wird es mit diesen anderen Orten aussehen?“
Massenkündigungen nur ein Vorbote
Rund 2500 Mitarbeitern der estnische Reederei Tallink, des größten Fährunternehmens der Ostsee, droht der Jobverlust. Die Tourismusbranche fordert eine Überbrückung durch Kurzarbeiter bis Frühjahr. Eesti Päevaleht bezweifelt allerdings, dass sich die Lage bis dahin verbessert:
„Auslandstourismus ist so gut wie tot und Ostsee-Kreuzfahrten ebenso. Und statt einer zunächst erhofften allmählichen Besserung zeichnen sich in naher Zukunft noch schärfere Reisebeschränkungen ab als in diesem Sommer. Sogar die baltische Reiseblase droht zu platzen. Man braucht nicht mehr so viele Hotels, Reiseschiffe, Flugzeuge und andere Reiseunternehmen wie vor der Pandemie. ... Die Entscheidung [das Kurzarbeitergeld zu verlängern] ist schwer. Einerseits droht den Mitarbeitern der Branche Arbeitslosigkeit, andererseits kann es sein, dass sich die Lage im Frühjahr 2021 nicht viel verbessert hat.“
EU braucht einheitliche Reiseregeln
Immer mehr EU-Länder führen aufgrund hoher Ansteckungsraten erneut Reisebeschränkungen und Rückkehrer-Quarantänen ein. Auch Lettlands Grenzen zu Litauen und Estland sollen wieder undurchlässiger werden. Dass sich die EU dabei bislang auf keine einheitlichen Kriterien geeinigt hat, hält Diena für einen großen Fehler:
„Es geht diesmal um den Wert, den die EU seit Jahrzehnten fordert: Solidarität unter den Mitgliedsstaaten. Leider hat noch im Sommer eine Kantar-Umfrage gezeigt, dass 53 Prozent der EU-Bürger mit der Solidarität zwischen den EU-Ländern während der Covid-Pandemie unzufrieden sind. Deshalb stellen sich viele die folgerichtige Frage: Wenn die Mitgliedsstaaten nicht einmal eine gemeinsame Strategie für Reisen koordinieren können, was können sie dann überhaupt in Einklang bringen?“