Belarus: Fragwürdiger Dialog im Gefängnis
Alexander Lukaschenka hat sich am Sonntag mit inhaftierten Oppositionsvertretern im Gefängnis zu einem Gespräch getroffen. Dem veröffentlichten Medienmaterial zufolge soll er dabei für seine Verfassungsreform geworben haben. Zwei der Teilnehmer kamen tags darauf frei, zugleich wurde eine Demo brutal niedergeknüppelt. Wie ist das Treffen zu interpretieren: Beginn eines Dialogs oder abgekartetes Spiel?
Nun stürzt das Lügengebäude ein
Irina Chalip, Belarus-Korrespondentin der Nowaja Gaseta, sieht das Treffen positiv:
„Dies ist das erste Anzeichen für eine Kapitulation. Erstens steht Lukaschenka von außen unter Druck, aus West wie aus Ost - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise und mit verschiedenen Zielen. So einen Alliierten möchte niemand. Zweitens funktionieren nun die Lügen nicht mehr: Weder die, dass Lukaschenka gewonnen hat, noch die, dass da Verbrecher hinter Gittern sitzen und auch nicht die, dass er von den Volksmassen unterstützt wird, während irgendwelche Häufchen gekaufter Taugenichtse auf die Straße gehen. … In der Smartphone-Ära wird das Lügen immer schwieriger. Da geht man mal besser ehrlich ins Gefängnis.“
Dreiste Image-Politur
Alexander Ryklin, Chefredakteur von Jeshednewnyj shurnal, ist hingegen geradezu angewidert von Lukaschenkas Unverfrorenheit:
„Das im Wortsinne beispiellose Format des Treffens des 'Staatschefs' mit Teilen des oppositionellen Establishments kann gar allein Abscheu hervorrufen. Es ist eine ungeheure Niedertracht, Geiseln für Eigen-PR zu verwenden. Wir wissen ja nicht, ob diese Leute freiwillig zustimmten, unter solchen extremen Umständen an einem Runden Tisch mit dem Usurpator teilzunehmen, oder ob man sie zwang. Lukaschenkas Idee - oder die seiner Moskauer Kuratoren - zeigt sich klar: Er versucht aller Welt und seinem Volk seine Bereitschaft zu Verhandlungen und Wandel zu beweisen.“