Überraschung bei Präsidentschaftswahl in Moldau
Die pro-europäische frühere Premierministerin Maia Sandu hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau gewonnen. Sandu bekam 36,16 Prozent der Stimmen, der pro-russische Sozialist und Amtsinhaber Igor Dodon 32,61 Prozent. In zwei Wochen kommt es nun zu einer Stichwahl zwischen den beiden. Beobachter analysieren die Gründe für das überraschende Ergebnis und mögliche Folgen.
In Transnistrien könnte es heiß werden
Nezawissimaja Gaseta sagt einen folgenschweren Sieg Sandus voraus:
„Sandu bekommt in der zweiten Runde garantiert die Stimmen der vier pro-europäischen Kandidaten, ob die Anhänger der beiden Linkskandidaten für Dodon stimmen, ist hingegen fraglich. ... Sandu hat erklärt, sie werde als Präsidentin die Beziehungen zu Russland ausbauen, aber Priorität hätten die EU, Rumänien und die Ukraine. Noch als Premierministerin sagte sie, sie wolle sich an Kiew ein Beispiel nehmen, vorrangig, was den Donbass angeht. Deshalb dürfte sie den Status quo von Transnistrien [der international nicht anerkannten Republik innerhalb Moldaus] nicht hinnehmen und versuchen, die russische Militärpräsenz dort zu beenden. Im Falle eines Sieges Sandus erwarten Transnistrien also schwere Zeiten.“
Dodon wird kämpfen bis zum Schluss
Der Analyst Iulian Chifu schreibt in Adevărul, warum der Amtsinhaber seiner Meinung nach im ersten Wahlgang so schwach abgeschnitten hat:
„Die Mobilisierung der Diaspora [in Westeuropa] war exemplarisch, viele standen Schlange und warteten darauf, ihre Stimme abgeben zu können. Ein Protest-Votum gab es auch in Chişinău und vor allem in der gesamten Republik Moldau. Dodons Selbstgefälligkeit, sein Misserfolg beim Umgang mit dem Coronavirus, die desaströse wirtschaftliche Lage, die Perspektivlosigkeit – all das führte zu diesem Ergebnis. … Igor Dodon ist ein angeschlagener Präsident. Noch stehen ihm eine Menge Machthebel zur Verfügung. Noch bespielt er sie. Es geht um seine Karriere, sein Vermögen, seine Freiheit, sein Leben. Er wird bis zum letzten Moment spielen!“
Abgehalfterter Amtsinhaber
Auf zusätzliche Wahlunterstützung aus Moskau hofft Dodon vergeblich, zeigt sich der Politikexperte Sorin Ioniță in Contributors überzeugt:
„Der Kreml hat ihm in dieser Wahlkampagne mit Fonds und politischen Beratern geholfen (die verdeckte FSB-Geheimdienstoffiziere waren), doch Dodon hat die Aura eines abgehalfterten Politikers, der nur noch in zwei Richtungen Auslandsreisen unternehmen kann: nach Moskau und zur Mönchsrepublik Athos, wo er wie jeder Sozialist vom Balkan nützliche Kerzen für sein Volk anzündet. In Wirklichkeit waren die Russen von seiner Person nie begeistert. ... In einem internen Dokument wird er als 'ненадежный' (unzuverlässig) eingestuft. Es ist sehr gut möglich, dass ihn auch seine Partei aufgibt, wenn er verliert und man ihn auf Vorschlag der Russen hin mit Ion Ceban, dem Bürgermeister von Chişinău ersetzt, der jünger und fähiger ist.“