Frankreich: Umstrittenes Gesetz gegen Islamismus
Die französische Regierung hat ein weiteres umstrittenes Vorhaben ins Parlament gebracht: Das "Gesetz zur Stärkung republikanischer Prinzipien" hat vor allem den radikalen Islam im Visier. Heimunterricht soll eingeschränkt, Imame im Land ausgebildet und Auslandszahlungen an Vereine stärker überwacht werden. Dazu kommen härtere Strafen gegen Hate Speech und Doxing. Pressestimmen bemängeln diesen Weg aus unterschiedlichen Gründen.
Naiv und fehlgeleitet
Dass der Gesetzesentwurf in der muslimischen Gemeinschaft umstritten ist, kann Adevărul-Journalist Iulian Chifu gut verstehen:
„Die Vorstellung, ein Phänomen, das sozial tief verwurzelt ist [den radikalen Islamismus], per Gesetz, mit Verboten und Sanktionen zu bekämpfen, ist ein krasser Beweis für Dilettantismus und für einen Mangel an Ideen. ... Soziale Phänomene bekämpft man nicht per Gesetz, sondern damit, direkt an ihre sozioökonomischen Ursachen zu gehen. Es ist die Nichtakzeptanz und Nichtintegration muslimischer Gemeinschaften in der französischen Gesellschaft, die Muslime und Einwanderer dazu gedrängt hat, eigene Regeln und Überlebensformeln an der Grenze der Gesetze oder jenseits davon zu schaffen und Gewalttätern, Terrorismus und Konfrontation den Weg geebnet hat.“
Am Täterprofil total vorbei
Das Gesetz ist für die Terrorismusbekämpfung wenig tauglich, urteilt Politologe Olivier Roy in El País:
„Das Gesetz will den Hausunterricht verbieten und religiöse Privatschulen streng kontrollieren. Es will Polygamie und Jungfäulichkeits-Zertifikate untersagen. ... Wären die Maßnahmen vor 20 Jahren beschlossen worden, hätte man damit terroristische Attentate verhindert? In Hinblick auf die Lebensläufe der daran Beteiligten lautet die Antwort nein. Alle diejenigen, die in Frankreich Attentate begingen, kamen von öffentlichen Schulen. Keiner wurde zu Hause unterrichtet oder stammte aus einer polygamen Familie. In Bezug auf die Jungfräulichkeits-Zertifikate sehe ich keinen Zusammenhang mit Terrorismus. Die radikalisierten jungen Frauen (deren Zahl seit 2012 steigt) sind niemals Vorbilder an Tugendhaftigkeit.“
Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet
Das Gesetz sollte sich auf den Islamismus konzentrieren, statt Freiheiten für alle zu beschränken, bemängelt der evangelische Pfarrer und Mediator Saïd Oujibou im rechten Wochenmagazin Valeurs actuelles:
„Es ist legitim, notwendig und vorausschauend, dass die Regierung versucht, 'den radikalen politischen Islamismus' und sämtliche Gewalt, die er nährt und auslöst, einzudämmen. Es wäre jedoch gefährlich, diesem Ziel das im Verlauf unserer Geschichte mühsam errungene Gleichgewicht zwischen religiöser Freiheit und staatlicher Säkularität zu opfern. ... Der derzeitige Gesetzentwurf wirft Bedenken bezüglich der Versammlungs-, Meinungs- und Bildungsfreiheit auf, die die Gesundheit unserer Gesellschaft schwer beeinträchtigen könnten. Was wir im Kontext von Radikalismus und Terrorismus alle gemeinsam schützen müssen, ist unser Sinn für Freiheit.“