Italien: Conte übersteht Misstrauensvotum knapp
In Italien gibt es nach dem Rückzug Matteo Renzis und seiner Partei aus der Regierungskoalition vorerst keine Neuwahlen. Am Dienstag sprach der Senat Premier Giuseppe Conte das Vertrauen aus, wie zuvor auch die Abgeordnetenkammer. Mit 156 Stimmen verfehlte Conte allerdings eine absolute Mehrheit. Kommentatoren sind einerseits erleichtert, andererseits enttäuscht über den Ablauf der Abstimmung.
Unwürdiges Geschacher
Conte hat um jede Stimme feilschen müssen, rümpft HuffPost Italia die Nase:
„Vor der Regierung liegt ein gigantischer Sumpf, der die seit Monaten andauernde Unbeweglichkeit womöglich noch verstärkt. Selbst 161 Stimmen, die absolute Mehrheit, wären ein ernsthaftes politisches Problem gewesen, was die Solidität und den Zusammenhalt angeht. Angesichts der durch den Abstimmungsverlauf vergifteten Atmosphäre ist es reines Wunschdenken, jetzt ehrgeizige Reformpläne verfolgen zu können. Es ist die Institutionalisierung eines Basars, die heute ihren Höhepunkt erreicht hat. Parlamentarier, die den ganzen Tag 'bearbeitet' werden, die plötzlich verschwinden, dann wieder auftauchen, umworben mit Aufforderungen, ihre 'politische Farbe' zu wechseln, mit einem Premierminister, der den Unentschlossenen den Himmel auf Erden verspricht.“
Salvini unbedingt von der Macht fernhalten
Für Dagens Nyheter ist ein schwacher Conte das kleinere Übel:
„Es ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um einer rechtspopulistischen Regierung den Weg zu ebnen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden der Regierung außergewöhnliche Befugnisse übertragen. Sie sollten nicht in die Hände von Personen gelegt werden, die sich [wie Lega-Politiker Matteo Salvini] 'Il Capitano' nennen. In den nächsten Jahren wird die EU über ihren Corona-Fonds über 200 Milliarden Euro nach Italien pumpen. ... Es wäre traurig, wenn sie in der Praxis ein autoritäres rechtspopulistisches Regierungsprojekt konsolidieren würden. Es gibt heute kaum gute politische Alternativen für Italien. Salvini auf absehbare Zeit von der Macht fernzuhalten, wird weiterhin die am wenigsten schlechte Sache sein.“