Erdoğan liebäugelt mit neuer Verfassung - warum?
Der türkische Präsident Erdoğan hat auf einer Pressekonferenz Pläne für eine neue Verfassung angedeutet. Bereits 2017 hatte er die Verfassung ändern lassen und die Türkei zu einem Präsidialsystem umgebaut. Nun könnte er Beobachtern zufolge versuchen, über das Jahr 2028 hinaus im Amt zu bleiben. Doch das ist wohl nicht das einzige Motiv, vermuten Journalisten.
Ziel ist die Schwächung der Opposition
Der Schachzug kommt nicht von ungefähr, erklärt Hürriyet Daily News:
„Er kommt genau zu dem Zeitpunkt, an dem das 'Bündnis der Nation' (bestehend aus CHP, der Guten Partei (İYİ) und der Demokratischen Partei (DP)), ihre Arbeit an dem von ihm so betitelten 'gestärkten parlamentarischen System' beschleunigt hat. Und zudem auch noch Gespräche mit der Zukunftspartei und der Partei für Demokratie und Fortschritt (DEVA) führt. ... Es ist offensichtlich, dass die Volksallianz [Wahlbündnis zwischen AKP und rechtsextremer MHP] ihre Rhetorik zur neuen Verfassung kurzfristig als ein Instrument der Schwächung und Spaltung des 'Bündnisses der Nation' und langfristig als ein Instrument der Lenkung der politischen Agenda des Landes nutzen wird.“
Präsident unter Druck
Ethnos findet Erdoğans Erklärungen nicht überzeugend:
„Die schlechte Lage der Wirtschaft und die dadurch bedingten Proteste der Menschen in den sozialen Medien, das Trommelfeuer der Opposition, die Meinungsumfragen, die EU, die US-Sanktionen. ... All das hat Erdoğan unter Druck gesetzt, und nun strebt er eine Kursänderung an. ... Doch diese wirkt widersprüchlich. Einerseits spricht der türkische Präsident über Reformen im politischen, wirtschaftlichen und justiziellen System auf der Basis der Menschenrechte, wie er predigt, um Biden und Europa gegenüber ein gutes Bild abzugeben. Andererseits versucht er, die Gesellschaft zu 'sperren', damit alles unter Kontrolle ist, wie im Fall der Bosporus-Universität.“