Amsterdam jetzt Europas Börsenstandort Nummer eins
Rund zwei Monate nach dem Ende der Übergangsfrist macht sich der Brexit deutlich in der europäischen Finanzgeografie bemerkbar: Das tägliche Handelsvolumen der Amsterdamer Börse ist von 2,6 auf 9,2 Milliarden Euro gestiegen, während das von London auf 8,6 Milliarden sank - unter anderem, weil in Euro notierte Aktien in der EU gehandelt werden müssen. Kommentatoren beidseitig des Kanals sehen die Entwicklung kritisch.
Vorsicht vor Dominanz des Finanzsektors
NRC Handelsblad warnt vor möglichen Nachteilen des Booms:
„Die Londoner Wirtschaft dominiert die von Großbritannien, und der Finanzsektor dominiert London. Diese große Betonung auf finanzielle Dienstleistungen wurde bereits mit der zurückgehenden Produktivität in dem Land in Zusammenhang gebracht: Wer so leicht Geld verdient mit dem Verschieben von Geld, läuft Gefahr, seine Industrie oder andere innovative Sektoren zu vernachlässigen. Das könnte man eine Variante der Dutch disease nennen: Die Vernachlässigung der Produktivität in den 1960er und 1970er Jahren, weil die Einkünfte aus den Erdgasvorkommen doch strömten.“
EU schadet sich mit Protektionismus selbst
Dass britische Banken ihre Derivatgeschäfte wegen Drucks aus Brüssel vermehrt über Clearinghäuser in der EU abwickeln müssen, empört den Unterhausabgeordneten Anthony Browne in The Spectator:
„Es handelt sich hier im Wesentlichen um einen unsicheren protektionistischen Instinkt, der darauf abzielt, internationalen Wettbewerb fernzuhalten, anstatt global zu konkurrieren. Nach dem Motto: Wenn wir nicht gewinnen können, schließen wir die anderen aus. ... Mit ihrem Versuch, die Finanzmärkte zu fragmentieren, schränkt die EU den Zugang zu Dienstleistungen für ihre eigenen Unternehmen ein und erhöht deren Kosten. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit EU-Firmenvertretern, dass dies für die europäische Geschäftswelt ein großes Thema ist. Traurige Tatsache ist, dass Europas Arbeitnehmer und Familien die ultimativen Verlierer sind.“