AfD wählt Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin
Die in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD hat auf ihrem Parteitag im sächsischen Riesa Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin gekürt. Weidel forderte das Dichtmachen der Grenzen, die Abschaffung von Gender-Studies und das Niederreißen von Windrädern. Der umstrittene Begriff "Remigration" wurde ins Wahlprogramm aufgenommen. Kommentatoren sehen eine Radikalisierung der Partei.
Sie meinen es ernst
Die Selbstradikalisierung der Partei schreitet fort, stellt der Tagesspiegel fest:
„Weidels Worte: 'Die deutschen Grenzen sind dicht. Sie – sind – dicht!' Und: 'Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Re – Mi – Gra – Tion.' Alles in einem Ton, der von düsteren Zeiten kündet, käme sie an die Macht, die AfD. Der Satz zur Remigration entfesselt das Rechtsradikale. Die AfDler reden nicht mehr nur untereinander extrem, sondern sagen es offen. Sie meinen es ernst – dass hier viel zu viele aufgenommen würden; dass die sich nicht ausreichend und ausreichend schnell integrieren und deshalb schnell raus müssten. Und sie machen ernst. Wenn sie können.“
Abkehr von der "Mäßigung"
Nähert sich Weidel jetzt dem radikalen Flügel, fragt La Repubblica:
„Die AfD hat den umstrittenen Begriff 'Remigration' in ihr Programm aufgenommen, den die frisch gekürte Kanzlerkandidatin Alice Weidel lange abgelehnt hatte. Jetzt ist sie nicht einmal mehr schockiert, wenn in der Riesaer Arena türkisfarbene Herzen – die Farbe der AfD – mit der Aufschrift 'Alice für Deutschland' verteilt werden, was auf Deutsch ähnlich klingt wie das Motto 'Alles für Deutschland' der [nationalsozialistischen paramilitärischen Kampforganisation] SA. Eine Parole, die dem Anführer des radikalen Flügels, Björn Höcke, eine Verurteilung durch ein deutsches Gericht einbrachte. Und genau er stand in diesen zwei Tagen des AfD-Kongresses im Mittelpunkt vieler Schlichtungen. ... Hat er gewonnen oder verloren, im ewigen Duell mit der 'gemäßigten' Weidel?“
Kein uneingeschränkter Rückhalt
Angesichts unterschiedlicher Strömungen in der Partei sieht die Neue Zürcher Zeitung Weidel vor einer schwierigen Aufgabe:
„Trotz ihrer einstimmigen Nominierung kann sie die Parteilinie, anders als die ehemalige CDU-Chefin Angela Merkel zu ihren besten Zeiten, nicht uneingeschränkt vorgeben. Weidels Wirtschaftsliberalismus steht diametral zu den etatistischen Zügen eines Björn Höcke und der Ostverbände. Während Weidel auf Musk als Wahlkampfhelfer setzt, blickt die Brandenburger AfD denkbar skeptisch auf die Gigafactory des Tesla-Chefs. Nicht einmal die Putin-Liebhaberei, die sich durch regelmässige Russlandreisen ausdrückt, konnte sie Parteigenossen austreiben. ... Für Weidel dürften die inhaltlichen Differenzen im Wahlkampf ein schwieriger Spagat werden.“
Seltsamer Widerspruch
Corriere della Sera wundert sich über den Erfolg von Weidel bei den Rechtsradikalen:
„Alice Weidel hat der AfD gegeben, was ihr fehlte. Ein Gesicht und eine Figur, die sich als moderne, auf TikTok beliebte Führungspersönlichkeit präsentieren kann. Und hier beginnen die Fragen: Was genau ist der Grund für diese Faszination, die Weidel auf die extreme Rechte und darüber hinaus ausübt? ... Und vor allem: Wie kann eine lesbische Frau, die mit ihrer sri-lankischen Lebensgefährtin zwei Kinder hat und zudem in der Schweiz wohnt, eine Heldin der ultranationalistischen Partei sein, wie kann sie deren Führung erobert haben? Eine Frau, die sowohl das Tabu der traditionellen Familie als auch jenes der Migranten bricht?“