Die Pandemie macht Europa arm – was tun?
Die Covid-Krise hat Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit in ganz Europa und darüber hinaus erhöht. Besonders betroffen sind junge Menschen, Kultur, Gastronomie und Tourismus sowie Gruppen, die bereits vor der Pandemie strukturell benachteiligt waren. Kommentatoren zeichnen ein düsteres Bild und fordern dringend effektive Maßnahmen.
Bilder wie 1929
Das Kleinbürgertum wird um seinen hart erarbeiten Aufstieg gebracht, beobachtet der Schriftsteller Stefano Massini in La Repubblica:
„Die Mittelschicht steht erstaunt und verängstigt auf der Straße und wartet in langen und würdevollen Schlangen, bis sie an der Reihe ist, eine warme Mahlzeit zu bekommen. ... Es ist das Mailand von heute, aber es sieht aus wie die Wall Street von 1929. … Dieses Bild steht für die zwei Millionen neuen Armen, die die [italienische Statistikbehörde] Istat nach einem Jahr Pandemie erfasst hat. Hier sind sie. Schauen Sie sie an, ihre Haltung, ihre Kleidung, ihre Accessoires. ... Das sind keine Obdachlosen oder Randgestalten, sondern Angehörige der bürgerlichen Klasse, die durch die Frucht ihrer Arbeit aus der städtischen Unterschicht aufgestiegen sind und sich stolz von ihr emanzipiert haben. ... Doch dann kam Covid und machte alles zunichte.“
Immer mehr Steine im Weg von Südeuropas Millennials
Ohne gezieltes Eingreifen der Politik droht eine ganze Generation, zu Verlierern zu werden, mahnt Politologin Ariane Aumaitre Balado in Telos:
„Die Jobverluste konzentrieren sich auf diese Generation der doppelten Krise, besonders auf die, die nicht studiert haben. ... Eine [spanische] Studie hat kürzlich gezeigt, dass es die 24- bis 39-Jährigen sind, deren Einkommen aufgrund der Pandemie am stärksten eingebrochen sind. Ohne auf diese Gruppe zugeschnittene politische Maßnahmen (Arbeitsrecht, Wohnpolitik, Vereinbarung von Familie und Beruf, Weiterbildung, bessere soziale Absicherung bei beruflicher Umorientierung) kann die Wunde, die diese beiden [Finanz- und Covid-] Krisen verursacht haben, im Verlauf des Erwachsenenlebens dieser Kohorte nicht verheilen. So sind viele dazu gezwungen, ihre Lebensziele nicht mehr nur aufzuschieben, sondern sie schlicht und einfach aufzugeben.“
Krankengeld erhöhen
Die Stadt Tallinn hat beschlossen, Berufstätigen 30 Euro für den ersten Tag zu erstatten, an dem sie wegen Corona zu Hause bleiben. Eesti Päevaleht wünscht sich noch weitergehende Maßnahmen:
„Das Ziel muss sein, dass kein Corona-Kranker zur Arbeit geht, nur weil er finanziell keine andere Lösung hat. Um sich in die Richtung dieses Ideals zu bewegen, gibt es drei Möglichkeiten: bereits den ersten Krankheitstag zu erstatten, das Krankengeld von heute 70 Prozent [des Arbeitseinkommens ab dem zweiten Krankheitstag] zu erhöhen oder beides. ... Regierung, überlegt euch, das Krankengeld vorübergehend auf 100 Prozent oder zumindest auf 80 bis 90 Prozent zu erhöhen! Es ist dringend. Der Anstieg der Corona-Infektionen im letzten Herbst - das Fundament der heutigen Infektionen - ist zumindest teilweise ein Ergebnis von Verschleppungen beim Krankengeld durch die damalige Regierung.“