George Floyd: Was bleibt von den Protesten?
Die Tötung des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis hat weit über die USA hinaus erschüttert. Weltweit gingen Menschen auf die Straße, um gegen Rassismus und für Gleichberechtigung zu demonstrieren. Doch ein Jahr nach den Ereignissen ziehen viele Beobachter ernüchtert Bilanz.
Sie haben ihr Ziel noch nicht erreicht
Der große Rückhalt für die Black-Lives-Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd ist verpufft, resümiert Le Monde mit Blick auf eine aktuelle Umfrage von Ipsos/USA Today:
„Nur noch halb so viele Amerikaner (36 Prozent) wie vor einem Jahr betrachten den Tod George Floyds heute als 'Mord' - trotz der Verurteilung des Polizisten Derek Chauvin. Die Zahl der Personen, die glauben, dass sich die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen verschlechtert haben, ist fast viermal so hoch wie die Zahl derjenigen, die denken, dass sie sich verbessert haben (40 im Vergleich zu 13 Prozent). Die US-amerikanische Gesellschaft sucht noch immer einen Weg, um die durch Rassismus bedingte Ungleichheit zu überwinden. Das Ziel scheint außer Sichtweite.“
Rassistische Strukturen angehen
Offener Rassismus ist nicht der Kern des Problems, erinnert The Economist und verweist auf die Pandemie in den USA:
„Covid-19 hat im Schnitt mehr Afroamerikaner getötet als Weiße oder asiatische Amerikaner. Die Ursachen sind noch unklar, aber die Schuld wird wohl nicht bei rassistischen Ärzten, Krankenschwestern oder Versicherern liegen. Wegen früherem Rassismus und heutiger Armut leiden Afroamerikaner häufiger an Vorerkrankungen, müssen häufiger außerhalb der geschützten Wohnung arbeiten und haben seltener eine Krankenversicherung. Rassismus bleibt ein Fluch Amerikas, aber weil er in den Köpfen von Fanatikern festsitzt, steht es nicht in der Macht der Regierung, ihn auszurotten. … Mit Armut und dem strukturellen Erbe von Rassismus verhält es sich hingegen anders.“
Amerika ist nicht weit so weit weg, wie wir denken
Die Europäische Grundrechte-Agentur (FRA) hat zum Jahrestag der Tötung George Floyds die Studie „Your Rights Matter. Police Stops“ veröffentlicht. Sie vergleicht Daten zu Polizeikontrollen in ganz Europa - und kommt zu deprimierenden Ergebnissen, meint Der Tagesspiegel:
„Während von Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft 13 Prozent angaben, in den zwölf Monaten vor der Befragung in Polizeikontrollen geraten zu sein, waren es 22 Prozent derer, die Minderheiten angehören. ... Wer sich auf die nüchternen Zahlen einlässt, weiß anschließend besser, dass es für Einwanderungsgesellschaften wie die europäischen lebenswichtig ist, Racial Profiling abzustellen. Desto besser, dass die FRA sich für die Veröffentlichung den Todestag von George Floyd vor einem Jahr ausgesucht hat. Übrigens: Auch hier sterben Menschen in Polizeigewahrsam. So weit entfernt ist Amerika denn doch nicht.“