Begehrte Euro-Anleihen: Wegweisend für Europa?
Letzten Dienstag hat die EU-Kommission ihre erste Anleihe zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds platziert. Die Nachfrage enorm: Die verantwortlichen Banken zählten Kaufaufträge für rund 142 Milliarden Euro, mehr als das Siebenfache, als sie tatsächlich ausgeben konnten (20 Milliarden). Ein wichtiger Meilenstein, finden Kommentatoren.
Die Saat geht leise auf
Die Anleihen sind der erste Schritt zu Eurobonds, freut sich Avvenire:
„Wie immer macht der Wald, der wächst, weniger Lärm als der einzelne Baum, der fällt. ... Am Dienstag 'pflanzte' Europa fast geräuschlos - so donnernd die Debatte über die mögliche Vergemeinschaftung von Anti-Covid-Schulden im Frühjahr 2020 war - die erste Anleihe des gemeinsamen Programms zum nachhaltigen Umbau der Wirtschaft der Union. ... Technisch gesehen ist es nicht möglich, sie als Eurobonds zu bezeichnen, aber wenn wir das 'fast' streichen, das man ihnen voranstellen kann, um die 'Falken' des Nordens nicht zu sehr zu erschrecken, kommen diese neuen Schuldenemissionen der Idee von dauerhaften Wertpapieren, die durch die Haushalte der Mitgliedstaaten garantiert werden, sehr nahe.“
Hoffnung auf einen Quantensprung
Der Wiederaufbaufonds könnte dem europäischen Projekt Auftrieb geben, meint die Wiener Zeitung:
„Gelingt es mithilfe dieses Instruments diesmal, … der gesamteuropäischen Schwungmasse an Marktmacht, Innovationskraft und Produktionsstärke endlich auch konjunkturelle Dynamik zu verschaffen, könnte die EU der Welt und zuvorderst ihren stets zweifelnden Mitgliedern den eigenen Mehrwert mit harten Fakten beweisen. … Zwar wurde mit dem Euro die Voraussetzung geschaffen, vom weltweit größten Binnenmarkt zu profitieren; doch um das Potenzial einer Gemeinschaftswährung voll einzulösen, fehlt nach wie vor eine zumindest koordinierte Finanz- und Investitionspolitik. ... Mit dem Wiederaufbaufonds verbindet sich die Hoffnung auf einen Quantensprung - mit den gemeinschaftlich finanzierten Milliarden für Klimaschutz und Digitalisierung als Hebel.“
Uns wird nichts geschenkt
Griechenland wird in den kommenden sechs Jahren 30,5 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds erhalten. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sprach vom "Ende der Turbulenzen der Pandemie und dem Anfang einer neuen Ära". Naftemporiki warnt vor Euphorie:
„Die Euros sind willkommen. Welcher Patient, der seit mehr als einem Jahrzehnt intubiert ist [seit der Finanzkrise], will kein Licht sehen? ... Uns wird nichts geschenkt, außer der Möglichkeit, unter restriktiven Bedingungen und strengen Kriterien Mittel aufzunehmen. Ach ja, und nicht alles ist kostenlos (von den 30,5 Milliarden Euro sind 12,7 Milliarden Euro Kredite im Rahmen des Recovery and Resilience Facility (RRF)) und die Investitionen, die getätigt werden sollen, können unterwegs verloren gehen.“