Fünf Jahre Brexit: War er jetzt gut oder schlecht?
Am 23. Juni 2016 war es soweit: Das Brexit-Referendum endete mit 51,9 Prozent Ja-Stimmen für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Tatsächlich besiegelt wurde die Scheidung zwar erst letzten Dezember mit dem Ende der Übergangsfrist, dennoch haben Kommentatoren genügend Anlass für eine Bilanz.
Ohne Briten geht vieles leichter
Die EU ist ohne das ständige Blockieren Londons viel entscheidungsfähiger, freut sich Irish Examiner:
„Schon kurz nach dem Brexit-Votum machte die EU mit Plänen für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ernst, die jahrelang auf dem Reißbrett gelegen hatten. ... Zudem führte die Coronavirus-Pandemie zu einem wirtschaftspolitischen Schritt, der einst für unmöglich gehalten wurde: die gemeinsame Aufnahme von Krediten auf den Finanzmärkten zur Finanzierung des 800 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds. ... Großbritannien war Anführer einer Gruppe schwieriger und bremsender Mitgliedstaaten, sicherte sich immer wieder Nichtbeteiligungsklauseln und äußerte häufig Bedenken. Angesichts dessen ist ohne die Briten einiges leichter.“
EU im denkbar schlechtesten Moment geschwächt
Der Historiker und Publizist Timothy Garton Ash will im Guardian dieser Argumentation nicht ganz folgen:
„Einige in Brüssel und Paris sagen, dass es einfacher sei, die europäische Integration voranzubringen, nachdem man die lästigen Briten losgeworden ist. ... Aber wenn man ein 'geopolitisches' Europa will, eines, das sich gegen eine Supermacht wie China behaupten kann, dann ist der Verlust eines großen Mitgliedsstaates mit den finanziellen, diplomatischen, militärischen und weiteren Vorzügen eines Vereinigten Königreichs gravierend. Objektiv betrachtet wird die externe Stärke der Union genau in dem Moment verringert, in dem sie erhöht werden muss.“
Legitimationskrise bleibt
Die Zweifel an den Vorteilen der EU für die Bürger haben sich in den letzten fünf Jahren kaum zerstreut, stellt Jutarnji list fest:
„Der Euroskeptizismus wurde im letzten Jahr durch die Corona-Pandemie etwas leiser. Doch auch diese Periode resultierte in vielen Frustrationen, die früher oder später in den öffentlichen, politischen Raum herüberschwappen werden. ... Das Gefühl wird mal stärker, mal schwächer, doch es verschwindet nicht. ... Wer glaubt, dieses Phänomen durch trockenes Zählen von Milliarden, die uns die reicheren Länder zuteilen, oder zeremonielles Zerschneiden von Bändern auf Baustellen, die durch dieses Geld finanziert werden, unterdrücken zu können, hat offensichtlich keinerlei Lehren aus dem Brexit gezogen.“