Strompreise in Europa auf Rekordhöhe

In den EU-Ländern sind die Strompreise seit Anfang des Jahres deutlich gestiegen. So kostet der Grundlast­strom, also die Strommenge, die das Stromnetz mindestens benötigt, an den Strombörsen aktuell mehr als doppelt so viel wie im Sommer 2020. Erdgas ist rund zehnmal so teuer geworden. Gründe sind unter anderem die gestiegene Nachfrage in Asien und weniger Einspeisungen aus Windkraft.

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Postimees (EE) /

E-Autos machen das Problem nicht kleiner

Die hohen Strompreise werden eine ganze Kettenreaktion von Problemen nach sich ziehen, fürchtet Postimees:

„Im Winter wird der Strompreis wahrscheinlich noch weiter steigen. Nicht nur das Heizen wird mehr kosten, sondern auch die Preise anderer Waren werden steigen. Reagiert die Regierung nicht adäquat, werden die rechtspopulistischen Parteien davon profitieren. Das andere Problem ist die Versorgung. Auf lange Sicht muss man damit rechnen, dass Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge, wie sie 'Fit for 55' vorsieht, die Strom-Nachfrage nochmal steigern werden. Das bedeutet, man muss auch an andere Alternativen neben Sonnen- und Windenergie denken.“

eldiario.es (ES) /

Was die Preise verzerrt, ist das Oligopol

In Spanien hat die Regierung verfügt, dass Energieunternehmen bis März etwas von ihren Gewinnen abgeben müssen. Das Argument von Stromerzeugern und konservativer Opposition, dies sei ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft, lässt eldiario.es nicht gelten:

„Was sie hier 'Markt' nennen, ist im Fall der Energiekonzerne ein Oligopol, das allen grundlegenden Gesetzen des freien Marktes widerspricht. Die großen Unternehmen der Branche - Endesa, Iberdrola und Naturgy - sind an den verschiedenen Phasen der Erzeugung, Umwandlung und Vermarktung beteiligt. Sie sind außerdem die Hauptnutznießer des merkwürdigen Verfahrens zur Preisbestimmung, das im Allgemeinen dazu führt, dass jede Kilowattstunde zum Preis der teuersten Erzeugungsart (Heizkraft, Kernkraft) verkauft wird und dass sich die preisgünstigere Erzeugung erneuerbarer Energien für den Konsumenten deshalb kaum auswirkt.“

Die Presse (AT) /

Grüne Energien allein retten das Klima nicht

Die Probleme mit der grünen Stromproduktion zeigen, dass die EU ihre Klimastrategie überdenken muss, schreibt Die Presse:

„Aus heutiger Sicht kann man ein Stromnetz mit Flatterstrom aus Sonne und Wind nicht betreiben. ... Und das wird noch sehr lang so bleiben. … Es wird also Zeit, zusätzlich zu realistischen Emissionsverminderungsmaßnahmen, mit denen die benötigte 'Negativemission' nicht zu schaffen ist, den Fokus darauf zu richten, CO2 direkt aus der Atmosphäre zu holen. Durch technische Einrichtungen (die derzeit noch in frühen Stadien stecken) und durch 'Bio-Geoengineering', also beispielsweise die großflächige Aufforstung von derzeit zu trockenen oder zu kalten Gebieten. Was allerdings große Eingriffe in die Natur erfordert. Aber jetzt müssen die Techniker ran.“

La Repubblica (IT) /

Energierisiko für die EU

Da die Nachfrage steigt, wird die Abhängigkeit der EU von Energie produzierenden Ländern immer problematischer, mahnt La Repubblica:

„Trotz der Delta-Variante schreitet - auch dank der Impfungen - die weltweite wirtschaftliche Erholung voran und der Energieverbrauch steigt. Die Utopie eines raschen Übergangs zu einem 'emissionsfreien' Planeten kollidiert mit den Grenzen der erneuerbaren Energien und einer Verzögerung des technischen Fortschritts. Regionen, die mehr Energie verbrauchen, als sie produzieren - wie Europa und China - sind die schwache Seite des neuen 'Energierisikos', das Wirtschaft, Finanzen und wichtige geopolitische Strategien miteinander verbindet. Amerika und Russland sind auf der Gewinnerseite.“

Õhtuleht (EE) /

Schöne Worte erzeugen leider keinen Strom

Auch in Estland machen sich die Preissteigerungen bemerkbar. Die Verbraucher können wenig dagegen tun, meint Õhtuleht, denn der Staat habe erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren kaum ausgebaut:

„Die Verschmutzungssteuer hat Ölschieferenergie teuer gemacht. Billigere grüne Energie gibt es im Moment wenig auf dem Markt - kein Wind, keine Sonne. Seit Jahren wird über den Bau von Atomkraftwerken, Windparks im Meer und das Aussehen von Solarzellen diskutiert. Es gibt immer einen Grund, warum man etwas nicht machen kann. ... Energie ist ein Sektor mit vielen schönen Worten wie Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Die Pläne sind langfristig und CO2-Neutralität bis 2045 ferne Zukunft. Bis dahin versprechen Experten hohe Strompreise.“

Ziarul Financiar (RO) /

Offshore-Gas: Die Uhr tickt

Die Ökonomin Andreea Mitiriță von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC warnt in Ziarul Financiar, dass Rumänien den Ausbau seiner Gasförderung im Schwarzen Meer nicht hinauszögern darf:

„Die Green-Deal-Ziele erschweren die Nutzung von Erdgas als Übergangslösung, also kann Gas nur jetzt kurz- oder mittelfristig Kohle ersetzen. Sonst wird diese Chance möglicherweise verpasst. Nach unseren Einschätzungen könnte Rumänien 2030 zu 53 Prozent von Gasimporten abhängig werden (2020 waren es 20 Prozent), wenn die Onshore-Produktion auf natürliche Weise abnimmt und nicht in Offshore investiert wird. ... Rumänien ist der zweitgrößte Erdgaserzeuger in der EU nach den Niederlanden. Wenn 2022 das Groningen-Gasfeld geschlossen wird, hat Rumänien das Potenzial, zum größten Gaserzeuger aufzusteigen.“