Westbalkan auf der Wartebank - wie lange noch?
Am Mittwoch trafen sich Vertreter der Europäischen Union und der Westbalkan-Staaten in Slowenien, auch um über die EU-Erweiterung zu sprechen. Da sich die Mitgliedstaaten bisher aber weiterhin auf kein konkretes Beitrittsdatum für Serbien, Albanien oder Nordmazedonien einigen konnten, ist die Ernüchterung in den Kandidatenländern groß. Kommentatoren zeigen teilweise auch Verständnis für das Zögern.
Vorsicht ist gut begründet
Die Verzögerung ist nicht allein den EU-Staaten vorzuwerfen, meint Népszava:
„Einerseits ist es selbstverständlich, dass auch die Länder des Westbalkans zur europäischen Familie gehören. ... Andererseits zeigen die Erfahrungen mit Ungarn und Polen, dass kein Land in die EU aufgenommen werden dürfte, bis es eine Garantie abgibt, dass es die Rechtsstaatlichkeit respektiert. ... Ein einziger Mitgliedstaat allein kann der EU großen Schaden beifügen, und die meisten Westbalkanländer sind keine ausgereiften Rechtsstaaten.“
Nicht weiter zögern
Auch wenn einige Bedenken begründet sind, sollte sich die EU auf die beitrittswilligen Westbalkan-Staaten zubewegen, argumentiert Kathimerini:
„Natürlich müssen glaubwürdige Reformen zur Wahrung der Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durchgeführt und die Korruption bekämpft werden - davon profitieren die Bürger dieser Länder am meisten. Es stimmt zwar, dass diesbezüglich in den meisten Ländern Verzögerungen zu beobachten sind, aber das Zögern hat zwei Seiten. Je weiter die Beitrittsperspektive in die Ferne zu rücken scheint, desto schwieriger wird es für pro-europäische Politiker, dringend benötigte und oft schmerzhafte Reformen als Voraussetzung für den Beitritt zu verkaufen. Dies wiederum nimmt der EU in den Augen vieler Bürger etwas von ihrem Glanz.“
Ständiges Fordern ohne Gegenleistung
Was will die EU eigentlich von den Ländern des Westbalkans, fragt sich Večernji list:
„Sie möchte die Staaten des Westbalkan weiterhin zu Reformen und zu europäischen Werten wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bewegen, statt dass sie in Diktaturen, Nationalismus und Konflikte abrutschen. Sie will, dass die Staaten sich untereinander besser zu freien regionalen Märkten verbinden, der Integration innerhalb der EU nachempfunden. Aber sie sollen diese Übung außerhalb der EU absolvieren. Man möchte also nicht, dass ein Erfolg bei der Übung eine automatische Aufnahme bedeutet, sondern es gilt das Motto 'Macht ihr mal, dann werden wir sehen'. Hört sich grob an, weshalb das niemand so ausspricht, ist aber so. Haben dann Gipfel wie dieser überhaupt irgendeinen Sinn?“
Mutlosigkeit könnte sich rächen
Die EU sollte den Ländern des Westbalkans eine klare Perspektive bieten, kritisiert Die Presse:
„Die Europäische Union … hat ihr Selbstvertrauen verloren. … Wer kein Selbstvertrauen hat, kann freilich auch kein Vorbild sein. Und um das ginge es bei Ländern wie Serbien oder Albanien. … Mangels genau definierten Wegs Richtung EU driften sie nun aber weiter ab, orientieren sich an zweifelhaften illiberalen Modellen oder lassen sich von Russland und China ködern. Schon richtig: Die EU muss vor ihrer eigenen Tür kehren. Aber sie wird noch mehr Dreck vor ihrem Haustor vorfinden, wenn sie die ihr zugetanen Nachbarn weiterhin enttäuscht.“