Was braut sich im Konflikt um Taiwan zusammen?
Am Sonntag rief Chinas Staatschef Xi Jinping Taiwan auf, sich der Volksrepublik anzuschließen, Präsidentin Tsai Ing-wen wies das deutlich zurück. Bereits vergangene Woche hatte China mehrfach Kampfflugzeuge in die taiwanische Luftverteidigungszone entsendet. Und nun gab auch noch das Pentagon zu, dass US-Ausbilder heimlich Taiwans Armee trainieren. Kommentatoren schätzen die Zuspitzung sehr unterschiedlich ein.
Die größte Bedrohung des Jahrhunderts
In Taiwan wird sich der Kampf zwischen USA und China entscheiden, analysiert Chefredakteur Maurizio Molinari in La Repubblica:
„Hier zeigt sich eine globale Herausforderung, bei der es auch um Menschenrechte geht - man denke an die Kritik an der Verfolgung von Dissidenten in Hongkong, der Uiguren in Xinjiang und anderer Minderheiten. Xi Jinping reagiert darauf, indem er die USA des Neokolonialismus beschuldigt und Hunderte von Militärflugzeugen nach Taiwan schickt, um das Recht auf 'Wiedervereinigung' mit der Insel einzufordern. ... Während Joe Biden eine neue Sicherheitsarchitektur in Asien aufbauen will, damit die USA weiter eine führende Rolle in der Welt einnehmen können, zielt Xi darauf ab, Maos Plan zu vollenden. ... Es ist die Reibung zwischen diesen beiden unvereinbaren Projekten, die sich in Taiwan abspielt und die größte Bedrohung unseres Jahrhunderts birgt.“
Westliches Säbelrasseln wäre die falsche Reaktion
Europa sollte die Dramatik der zunehmenden Spannungen nicht überbewerten, findet die Frankfurter Rundschau:
„Zwar testet China die Grenzen in seinem Umgang mit Taiwan aus, gerade durch die notorische Verletzung des Luftraums der demokratischen Insel. Und doch muss man in Pekings Kurs noch keine Angriffspläne hineindeuten. Es bleibt wichtig, China zu widersprechen, zu ermahnen und seine Provokationen nicht tatenlos zu dulden. All das geschieht ja bereits. So verstärkt Europa seine Präsenz im Pazifik, etwa durch Eurofighter-Übungen mit Japan und Australien. Doch Säbelrasseln wäre die falsche Reaktion.“
China lernt von Russland
Pekings Aggression dient vor allem dazu, den Fokus von unliebsamen Themen zu nehmen, meint Népszava:
„Xi Jinpings Präsidentschaft hat in der Diplomatie der kommunistischen Partei eine Wendung zur Aggressivität mit sich gebracht. In dieser Hinsicht hat Peking viel von Russland gelernt: China wendet die Methoden des Kremls an, um seine weltpolitischen Ambitionen zu erfüllen. ... Doch dieses Selbstbewusstsein ist nur ein Feigenblatt. Das Regime ist verunsichert und um seine Legitimität besorgt. Die Aggression ist nichts anderes als ein Versuch, die Aufmerksamkeit von internen Problemen abzulenken.“