Frankreich: Dank Atomenergie grüner werden
Emmanuel Macron hat in einer Rede skizziert, wie er Frankreich bis 2030 grüner und digitaler machen will. Dabei bekannte er sich zu weiteren Investitionen in die Atomkraft und nannte diese einen Glücksfall für die Erreichung der Klimaziele. Doch es geht auch ums Geschäft: Kurz nach Macrons Bekenntnis legte der staatliche Energieversorger EDF Polen ein Angebot für den Bau von vier bis sechs Kernreaktoren vor.
Bitte zuerst eine echte Debatte
Macron prescht vor, obwohl wichtige Fragen zur Zukunft der Atomkraft in Frankreich ungeklärt bleiben, kritisiert die Ex-LREM-Abgeordnete Emilie Cariou in Le Monde:
„Fortwährende Probleme, Personalmangel, Unterschätzung der Kosten für die Laufzeitverlängerung einiger Kraftwerke und für den notwendigen Rückbau anderer Anlagen. … Das Thema Nuklearenergie wirft viele Fragen auf und die Energiesouveränität ist eine zentrale Herausforderung. Es ist ein strategischer Bereich, der eine echte nationale Debatte verdient und der die Abgeordneten wirklich mit einbindet. Wenn wir die Herausforderungen, vor die uns die Atomkraft stellt, angehen wollen, müssen wir unseren Finanz- und Personalbedarf beziffern und jede Option für die Entsorgung von Atommüll mit größter Transparenz abwägen.“
Polen kann Kernenergie gut gebrauchen
Gazeta Wyborcza sieht mehrere Gründe für Warschau, das EDF-Angebot anzunehmen:
„Die Franzosen schätzen, dass Polen mindestens 60 Jahre lang über eine Stromversorgung verfügen würde, die etwa 40 Prozent des derzeitigen Bedarfs deckt und das Land der Klimaneutralität näher bringt. Sie rechnen auch damit, dass der Bau der Reaktoren in Polen bis zu 25.000 Arbeitsplätze schaffen könnte. Außerdem wird erwartet, dass die CO2-Emissionen um 55 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden.“
Atomkraft ja - aber nicht zwingend französische
Rzeczpospolita erwartet keine schnelle Entscheidung:
„Die polnische Regierung wollte die Technologie und den Partner bereits Ende 2021 auswählen, aber die Verzögerung resultiert aus dem schleppenden Ratifizierungsprozess einer mit den Amerikanern unterzeichneten Vereinbarung. ... Die Zeit für die Ausarbeitung eines US-Vorschlags für Polen läuft im Herbst 2022 ab. Bis dahin sollten auch die Südkoreaner ihr Angebot vorlegen. Dies bedeutet jedoch, dass erst dann eine Entscheidung über die Wahl eines bestimmten Angebots getroffen wird. ... Wir müssen also geduldig sein.“
Paris schafft Fakten
Deutschland und Frankreich befinden sich in der Frage, welche Rolle die Atomenergie im Kampf gegen den Klimawandel spielen soll, mehr denn je auf Kollisionskurs, konstatiert das Handelsblatt:
„Paris macht Druck, die Atomkraft bei den geplanten grünen Investitionsregeln in Europa als klimafreundliche Technologie einzustufen. Berlin stemmt sich dagegen. Die französische Regierung steht in der EU aber keineswegs allein da und kann auf ein gutes Dutzend Mitglieder als Verbündete zählen. ... Will die nächste Bundesregierung keinen schweren Streit mit Paris riskieren, wird ihr kaum etwas anderes übrig bleiben, als dem französischen Drängen in Brüssel nachzugeben und das heikle Thema ansonsten weitgehend auszuklammern. Die Atomkraft bleibt der eingefrorene Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen.“