Frankreich: Liberale und Rechte im Wahlkampfmodus
Die Präsidentschaftswahl in Frankreich im April 2022 rückt näher: Am Montag fand das erste TV-Duell der konservativen Kandidaten statt, Macrons Fernsehansprache am Dienstag enthielt schon viel Wahlprogramm, und bei der extremen Rechten läuft Eric Zemmour - noch kein offizieller Kandidat - Marine Le Pen langsam den Rang ab. Dass sie alle zum Teil um dieselben Stimmen kämpfen, beschäftigt Europas Presse.
Zemmour hat die Karten neu gemischt
Eric Zemmours Medienpräsenz ist für Macron ein zweischneidiges Schwert, meint Dziennik Gazeta Prawna:
„Das Auftauchen von Zemmour als potenziellem Kandidaten bei den Wahlen hat Präsident Macron eine dringend benötigte Verschnaufpause verschafft, da er Le Pen geschwächt hat und der Präsident sich nun auf das konzentrieren kann, was er am besten kann, nämlich internationale Politik und große Reden. Marine Le Pen war noch nie der Liebling der Medien. Jahrelang galt es als unfein, sie zu Interviews einzuladen. Der rechtsgerichtete Kolumnist Zemmour, der von linken Politikern und Medien als Faschist angesehen wird, hatte hingegen jahrelang eine eigene Sendung auf dem populären Nachrichtensender CNews und Kolumnen in Le Figaro. Jetzt verlässt er die Fernsehstudios kaum noch.“
Verlogenes Arbeitslosen-Bashing
Macron hat in seiner letzten TV-Ansprache unter anderem angekündigt, weniger aktiven Arbeitssuchenden gegebenenfalls die Unterstützung zu streichen. Eine unlautere Wahlkampftaktik, empört sich Libération:
„Zu leugnen, dass es welche [unmotivierte Arbeitslose] gibt, wäre absurd. Aber den Eindruck zu erwecken, dass sie in der Überzahl seien und Betrug die Hauptursache aller Probleme des Arbeitsmarktes ist, kommt wirtschaftlicher Hochstapelei gleich. Die Haltung des Staatschefs könnte nicht klarer sein: Stimmenfang betreiben auf dem Terrain einer Rechten, deren Vorwahlkandidaten sich ruinieren, indem sie den Identitäts- und Sicherheitsthemen der extremen Rechten hinterherrennen. Die Linke nimmt Anstoß daran. ... Das ist das Mindeste. Man würde sich wünschen, dass sie sich den 'Wert Arbeit' wieder zu Herzen nimmt.“
Sackgasse Radikalisierung
Le Soir hat einen Rat für die gemäßigte Rechte:
„Die radikale Versuchung wäre für die Konservativen schlicht und einfach selbstmörderisch. Sollte sie sich ins Extreme verirren in der Hoffnung, sich an den schrecklichen Zemmour zu haften, würde sie dabei nicht nur ihre Seele verlieren, sondern auch ihren Niedergang beschleunigen. Denn bekanntlich ziehen die Wähler stets das Original der Kopie vor. 2007 war es Nicolas Sarkozy durch eine taktisch verschärfte Positionierung gelungen, dem Front National Stimmen abzuringen, um den Elysée-Palast zu erobern. Aktuell droht jedoch das Gegenteil, da die extreme Rechte klar auf dem Weg ist, sich das einzuverleiben, was von der Rechten übrig ist.“