Strategischer Kompass: Wegweisender Entwurf für EU?
Die EU muss "die Sprache der Macht lernen", hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach ihrer Wahl gefordert. Als Hoher Vertreter für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik legte Josep Borrell nun einen Strategischen Kompass vor. Über seinen Entwurf für eine sicherheitspolitische Doktrin werden die EU-Außenminister in den kommenden Wochen beraten. Die Presse zeigt schon einmal die Konfliktlinien auf.
Die Chance nicht verpassen
In einem Gastkommentar, der unter anderem im Diário de Notícias veröffentlicht wurde, erklärt Borrell, was die EU tun muss, um die Sicherheit der Bürger zu schützen:
„Das bedeutet, dass sie schnell wechselnde Bedrohungen vorhersehen und ihre Bürger vor ihnen schützen muss, dass sie in die notwendigen Fähigkeiten und Technologien investieren muss und dass sie mit Partnern zusammenarbeiten muss, um gemeinsame Ziele zu erreichen. ... Es liegt an den EU-Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob die heutigen geopolitischen Verschiebungen ein weiterer unbeachteter Weckruf sein werden. ... Der Strategische Kompass ist eine Gelegenheit, Europas sicherheitspolitischer Verantwortung direkt vor unseren Bürgern und dem Rest der Welt gerecht zu werden.“
Große Hindernisse zu überwinden
Der Politologe Sami Naïr fordert in El País mehr Entschlusskraft von Europa:
„Erfahrungsgemäß bringen die meisten 27 EU-Staaten den USA und der Nato mehr Vertrauen entgegen als einem europäischen Verteidigungsprojekt, da dieses die militärische Führungsrolle Frankreichs festschreiben und langfristige finanzielle Investitionen bedeuten würde. ... Hinzu kommt die Unfähigkeit Deutschlands, seine wirtschaftliche Hegemonie in eine politische und militärische Macht umzuwandeln. ... Josep Borrell fordert seit Beginn seiner Amtszeit, Europa politisch und militärisch zu stärken, um ihm so einen Platz in der Welt zuzuweisen. Der Strategiekompass öffnet den Weg dorthin, aber es wird ein langer Weg sein.“
Schritt zur militärischen Autonomie
Die Niederlande wollen sich an einer künftigen schnellen Eingreiftruppe beteiligen. Die EU kann nicht länger nur auf die USA setzen, bekräftigt De Volkskrant:
„Europa ist sich seiner Verletzlichkeit bewusst geworden, in der Nähe der Brandherde in Afrika und Asien. Die Beziehung mit Russland ist schlecht, und die Migrantenkrise an der Grenze mit Belarus zeigt, wie einfach die EU aus dem Osten unter Druck gesetzt werden kann. Weniger als früher können die Europäer mit der selbstverständlichen Unterstützung der Vereinigten Staaten rechnen. ... In einer immer unsichereren Welt muss Europa seine eigene Stärke entwickeln, um am Ende seine Lebensweise zu schützen. Bei aller verständlichen Skepsis ist eine europäische Interventionstruppe ein wichtiger Schritt zu strategischer Autonomie.“