Mit Black Friday in die Festtage starten?
Die aus den USA stammenden Rabatttage Black Friday und Cyber Monday läuten auch in Europa für immer mehr Menschen das Weihnachtsgeschäft ein. Wie sich das Konsumverhalten auf Arbeitsbedingungen, Traditionen, Gewohnheiten und Volkswirtschaft auswirkt, beschäftigt die Presse.
Nichts aus der Pandemie gelernt
Die Corona-Krise hätte uns lehren sollen, bestimmte Gewohnheiten aus der Vergangenheit zu korrigieren, mahnt der Genfer Stadtrat Pascal Holenweg in Le Courrier:
„Eigentlich ist klar, dass wir vieles ändern müssen, wenn wir weitere Episoden dieser Art vermeiden wollen: Wir müssen in eigenständigeren Gemeinschaften leben, uns langsamer, seltener und weniger weit fortbewegen, weniger arbeiten und weniger konsumieren. Doch damit sieht es nicht gut aus: Erst Black Friday, bald darauf beginnen die nächtlichen Weihnachtseinkäufe. Alle träumen nur davon, in die 'Welt von vorher' zurückzukehren - in die Welt, aus der das Coronavirus stammt. Letztendlich haben wir in der Pandemie nicht viel gelernt.“
Amazons Geschichte umschreiben
Zum Black Friday soll es in mehr als 20 Ländern koordinierte Streiks bei Amazon geben. Die Initiative MakeAmazonPay kämpft damit für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne im Konzern. Für Aftonbladet ist das eine gute Idee:
„Amazon hat einen Slogan, der lautet 'Arbeite hart. Hab Spaß. Schreib Geschichte.' Als Reaktion darauf stehen auch die Proteste unter einem Motto. Es lautet 'Streike hart. Hab Spaß. Schreib Geschichte.' Hoffentlich wird der Streik nicht nur eine historische Randnotiz. Stattdessen sollte er ein Weckruf für jedes Unternehmen sein, das auf dem heutigen Markt bestehen möchte.“
Es darf auch mal billiger sein
Durchaus positive Seiten gewinnt Český rozhlas dem Rabatttag ab:
„Ein erfolgreicher Black Friday kann der Wirtschaft nicht nur durch eine einmalige Steigerung des Einzelhandelsumsatzes helfen, sondern auch das Preisniveau und damit die Verfassung der gesamten Volkswirtschaft positiv beeinflussen. ... In diesem Jahr verfolgen uns die Ökonomen mit Inflation, und viele von uns reagieren mit panischen Käufen überteuerter Waren, weil sie befürchten, dass diese bald noch teurer werden. Dies beschleunigt jedoch die Inflation weiter. Der Black Friday ist daher eine sinnvolle Erinnerung daran, dass Waren auch günstiger werden können. Man muss nur den richtigen Moment abwarten.“
So geht Erntedank auf kapitalistisch
Neue Religionen treten an die Stelle der bestehenden und interpretieren deren Feste um, analysiert Avvenire:
„Sie kapern die alten Volksfeste und benennen sie um, belassen das Datum, aber ändern die Bedeutung - mit dem Aufkommen des Christentums wurde der römische Sol invinctus zu Weihnachten, der Feiertag des Augustus (ferragosto) zu Mariä Himmelfahrt, der Totenkult zu Allerheiligen. ... Zugleich müssen neue Feste eingeführt werden, um die Besonderheiten des neuen Kultes zu feiern. Der 'Black Friday' vereint diese beiden Merkmale: Er ist ein spezifisches Fest des kapitalistischen Konsumkults, aber er ist mit einem Fest der früheren Religion, dem Erntedankfest, verbunden, dessen Platz er einnimmt. Die kapitalistische Religion macht also mit dem Christentum das, was letzteres in Europa mit den römischen und lokalen Kulten machte.“