Russische Künstler und Kulturbetriebe boykottieren?
Der Ukraine-Krieg holt das internationale Kulturleben ein: Der russische Stardirigent Waleri Gergijew hat sein Amt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker verloren, nachdem er sich nicht öffentlich von seinem Freund Putin distanziert hatte. Opernstar Anna Netrebko, die am Wochenende erklärt hatte, sie sei dagegen, Künstler dazu zu zwingen, ihre politische Überzeugung offenzulegen, verlor ebenfalls Engagements. Europas Presse bewertet die Lage unterschiedlich.
Theater sind keine Kriegsschauplätze
Philosophin Donatella Di Cesare mahnt in La Stampa vor einer Hexenjagd:
„Es muss ein Gleichgewicht gewahrt werden, das kein Balanceakt ist, sondern eine ethische und politische Sensibilität, die ein wesentlicher Bestandteil der Reife eines Landes ist. Wenn viele politische Führer ihre Helme aufgesetzt haben, dann müssen wir ihnen nicht gehorchen, denn was wirklich zählt, ist, zivilisiert zu bleiben. Andere allein aufgrund ihrer Geburt, ihrer Zugehörigkeit zu einer Nation zu diskriminieren, ist ein diskriminierender und rassistischer Akt. Wir wollen nicht, dass unsere Theater, unsere Stadien, unsere Universitäten, unsere Plätze zu Kriegsschauplätzen werden.“
Kulturboykotte sind gerechtfertigt
Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni hat beschlossen, eine Übertragung von Schwanensee live aus dem Bolschoi-Theater in die Athener Konzerthalle Megaron abzusagen, und gleichzeitig die Aussetzung der Zusammenarbeit mit russischen Kulturorganisationen angeordnet. Der Kolumnist Aris Chatzistefanou befürwortet das auf Infowar:
„Die Aufführung in der Konzerthalle wird nicht verschoben, weil das Stück von einem Russen, Tschaikowsky, geschrieben wurde, sondern weil es von einer Institution aufgeführt wird, die vom russischen Staat finanziert wird, der gerade ein unabhängiges Land bombardiert. Tatsächlich wird das Bolschoi-Theater, das auch die Muttergesellschaft des Bolschoi-Balletts ist, von einer Gruppe von Politikern, Bankern und Geschäftsleuten kontrolliert, die von Putin persönlich ausgewählt wurden.“
Sport ist Geschäft und Geschäft ist Politik
Auch die Sportwelt verbannt Russland immer weiter aus seiner Gemeinschaft und seinen Wettbewerben. Manche Maßnahmen sind eher symbolisch, andere handfest. Corriere del Ticino unterstützt das:
„Nach wirtschaftlichen und politischen Sanktionen ist Russland nun auch von sportlichen Sanktionen betroffen. Und das ist alles andere als eine Überraschung, denn Sport ist auch und vor allem - namentlich auf Topebene - Wirtschaft und Politik. Er generiert Einnahmen in Millionenhöhe und war schon immer ein Instrument der politischen Propaganda. … Die internationale Gemeinschaft konnte kein wirklich starkes Signal setzen, ohne den Sport in die Sanktionen gegen Russland einzubeziehen.“