Globaler Hunger wegen Ukraine-Krieg - was tun?
Institutionen wie das Welternährungsprogramm der UN schlagen Alarm: Der Krieg in der Ukraine bedeutet nicht nur Leid für die Menschen in den umkämpften Gebieten, sondern auch die akute Gefahr einer globalen Nahrungsmittelkrise. Ukraine und Russland produzieren zum Beispiel ein Drittel des weltweiten Weizens. Europas Presse debattiert über mögliche Strategien in dieser gefährlichen Situation.
Fatale Abhängigkeit
Corriere del Ticino skizziert die Dimensionen des Problems:
„12 von 100 Kalorien, die täglich in der Welt verzehrt werden, stammen aus Russland oder der Ukraine, die zusammen 30 Prozent der Weizenexporte ausmachen und auch andere wichtige Bestandteile der Welternährung wie Sonnenblumenöl und Düngemittel produzieren. [A]llein der begrenzte Zugang zu russischen Düngemitteln [könnte] einen Rückgang der Nahrungsmittelproduktion in Afrika um 30 Prozent bedeuten. Fast 50 Länder sind mit mindestens 30 Prozent ihres Getreidebedarfs von Russland und der Ukraine abhängig, bei 26 von ihnen liegt die Abhängigkeit sogar bei über 50 Prozent. Zu den am meisten gefährdeten Ländern gehören der Libanon, Ägypten, Bangladesch, die Türkei und Indonesien.“
Nicht erneut den Rest der Welt vergessen
Die globale Nahrungsmittelversorgung muss auf die europäische Tagesordnung, mahnt NRC Handelsblad:
„Der Krieg in der Ukraine kann auf unerwartete Weise ansteckend wirken und zu Hunger, Unruhe und Konflikten führen, sogar zehntausende Kilometer entfernt. ... Eine einfache Lösung gibt es nicht. Aber: Die vergangenen zwei Jahre während der Pandemie haben gezeigt, dass der Westen gut für sich selbst sorgen kann, aber den Rest der Welt zu einfach vergisst, wenn es darauf ankommt. Das darf sich nicht wiederholen. Die internationale Tagesordnung ist voll. Aber die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, ein Mittel gegen hohe Preise, verdient hohe Aufmerksamkeit. “
Landwirtschaft zu lange vernachlässigt
Die Wochenzeitung Documento kritisiert Griechenlands Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte und die Tatsache, dass sich das Land zu stark auf den Tourismussektor fokussiert hat:
„Hunderttausende Hektar Land bleiben unbepflanzt, und viele weitere wurden umgenutzt, weil ihre Besitzer beschlossen, sich in der 'Schwerindustrie' [Tourismus] unseres Landes zu engagieren. Angesichts der Inflation und der Beschränkungen des zwischenstaatlichen Handels mit Grundnahrungsmitteln besteht in Griechenland heute die unmittelbare Gefahr einer Nahrungsmittelkrise, egal, wie sehr die Regierung Mitsotakis dieses große Problem ignorieren will.“
Bio umdenken
Agrarexperte Urs Niggli wirbt in der Neuen Zürcher Zeitung für eine Landwirtschaft, die fruchtbaren Boden wahrt und zugleich acht Milliarden Menschen ernähren kann:
„Die Erfahrungen aus dem Biolandbau zeigen, dass der Schutz des Bodens und die Erhaltung einer intakten natürlichen Nahrungskette ... die Landwirtschaft bedeutende Ertragskraft kosten. ... [W]ir können nicht eine weiter wachsende Weltbevölkerung mit dauerhaft 20 Prozent weniger Lebensmitteln ernähren. ... Wenn wir Dünger, Pflanzenschutzmittel und Herbizide präzise ausbringen können, verursachen wir 90 Prozent weniger Umweltschäden. Und wenn wir rasch robuste Pflanzensorten züchten können, dann können wir die Ökologie in Agrarsystemen wirkungsvoll unterstützen.“