Boris Johnson in Kyjiw: Alles nur Show?
Der britische Premierminister Boris Johnson ist am Wochenende für einen Überraschungsbesuch in die ukrainische Hauptstadt gereist. Großbritannien beliefert die Ukraine einerseits seit Kriegsbeginn ohne zu zögern mit Waffen, tat sich andererseits aber länger schwer mit Sanktionen gegen russische Oligarchen. Kommentatoren sehen den Besuch als fragwürdige Selbstinszenierung.
Der Butler der USA
Boris Johnson ist ein Kriegstreiber, schimpft La Stampa:
„Seit Beginn des Konflikts hat Johnson sich stets um den vordersten Platz der westlichen Koalition im Schützengraben bemüht. Diejenigen, von denen er sich am meisten abgrenzen möchte, sind die Europäer, die üblichen Zauderer, die 'Ja, aber-Sager', denen John Bull seine Standpauke hält. ... Beim Marsch auf Moskau als Vorhut des totalen Krieges braucht er nur noch die treuen Polen … Und natürlich die Amerikaner. Letzteren ebnet er den Weg, wie es seit der Suez-Krise von 1956, dem letzten britischen imperialen Atemstoß und Beginn der weniger glanzvollen Ära als treuer Butler der angelsächsischen Cousins, Tradition ist. Auch andere britische Staatsoberhäupter, wie Blair im unseligen Irakkrieg, haben sich diesem Amt aus der Not heraus verschrieben.“
Nicht nur Waffen, sondern auch Visa
Großbritannien mag in Sachen Waffenlieferungen an die Ukraine führend sein, versagt aber, wenn es um Aufnahme der Geflüchteten geht, findet The Independent:
„Für ein Land von der Größe und mit dem Wohlstand Großbritanniens, sind 12.000 [vollzogene Visaerteilungen] eine erbärmliche Zahl. ... Wenn Johnson seine Erfolge in Sachen Unterstützung der Ukraine durch Großbritannien herausposaunen möchte – und das will er bestimmt –, dann muss er dringend das Scheitern der britischen Flüchtlingspolitik angehen. Es ist ja nicht so, dass er die tödliche Gefahr nicht versteht, der die Menschen in der Ukraine ausgesetzt sind. Diese brauchen die Sicherheit, die ihnen ein geschützter Ort zum Leben bietet, mindestens genauso, wie die Sicherheit, die eine Waffe liefert.“