Finnland will möglichst schnell in die Nato
Angesichts des Ukraine-Krieges hat sich Finnland für einen drastischen außenpolitischen Kurswechsel entschieden: Premierministerin Marin und Präsident Niinistö sprachen sich am Donnerstag klar für einen unverzüglichen Beitritt ihres Landes zur Nato aus. Eine Mitgliedschaft würde die Sicherheit Finnlands stärken, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Was bedeutet das für die Zukunft des europäischen Kontinents?
Russland hat es selbst verursacht
Für Ilta-Sanomat ist klar, was Finnland in die Nato getrieben hat:
„Für Finnlands künftige Nato-Mitgliedschaft gibt es nur einen einzigen Grund. Russland hat rücksichtslos, rechtswidrig und brutal die Ukraine angegriffen. Seitdem kann kein Nachbarland mehr Russland vertrauen. Schweden wird wahrscheinlich zusammen mit Finnland der Nato beitreten. Russland wird dann mit einem geeinten Norden konfrontiert sein, auf den es keinen Druck ausüben kann.“
Helsinki war mutig und besonnen
Die finnische Entschlossenheit ist den Schweden ein gutes Vorbild, meint Dagens Nyheter:
„Vielleicht spiegelt der seriöse Pragmatismus der finnischen Führung einfach das Volk wider? Immerhin war die Kehrtwende im Hinblick auf eine Nato-Mitgliedschaft außergewöhnlich. Noch vor fünf Jahren waren knapp 20 Prozent der Finnen dafür. Heute sind es 76 Prozent. Die Mitglieder des Parlaments haben die gleiche Reise unternommen. 126 von 200 stehen hinter einer finnischen Bewerbung. Nur zehn sind offen dagegen. Es gibt einen Konsens und eine Einsicht in die Realität, die in einem entscheidenden historischen Moment auch für Schweden von zentraler Bedeutung war. ... Finnland hatte einfach den Mut und die Besonnenheit, die Führung zu übernehmen, als es nötig war.“
Keine Zeit zum Nachdenken
Der Skandinavien-Korrespondent der taz, Reinhard Wolff, bemängelt, dass es keine Debatte gegeben hat:
„Es wäre sicherlich falsch gewesen, die Nato-Option überhaupt nicht in Betracht zu ziehen. Aber ist das Gegenteil, nämlich diese sofort zur zwingenden Konsequenz zu erklären, nicht ebenso problematisch? Und genau das ist geschehen. Angesichts einer geopolitischen Situation, die es schwierig macht, einen klaren Kopf zu behalten und einen weitsichtigen Beschluss zu fassen, wechselte die Regierung, die bei ihrem Amtsantritt versprochen hatte, sich für Abrüstung und ein Atomwaffenverbot starkzumachen, sofort die Spur und erklärte den Nato-Atomwaffenschirm als alternativlos für Finnlands Sicherheit. Zeit zum Nachdenken? Fehlanzeige.“
Moskau wird auf die Achillesferse zielen
El Mundo fürchtet, Russland werde zur Strafe den Gashahn zudrehen:
„Moskau warnte gestern davor, dass es Finnlands Beitritt als 'Bedrohung' betrachten würde. ... Putins großer Energietrumpf sollte hier nicht unterschätzt werden. Experten warnen, dass die Union nicht in der Lage sein werde, russisches Gas zu ersetzen. Der kommende Winter wird zur Feuerprobe werden. Moskau wird diese Waffe einsetzen, um die europäischen Partner zu spalten. Moskau weiß, dass dieses Thema deren Schwachpunkt ist.“
Cyberangriffe und Desinformation zu erwarten
Gewichtige Gründe gegen den Beitritt sind in den vergangenen Monaten weggefallen, beobachtet The Guardian:
„Jahrelang band die Angst, Moskau zu provozieren, Finnland und Schweden die Hände. Der kompromisslose Angriff auf die Ukraine hat viele nun zu dem Schluss geführt, dass es nichts zu verlieren gibt, während gleichzeitig die russischen Fehlschläge darauf hindeuten, dass das Land weniger furchterregend ist, als gedacht. ... Wie vorherzusehen, hat Russland Vergeltungsmaßnahmen für Finnlands Bekanntgabe angekündigt. So wurde die Verlegung von Atomwaffen in den Ostseeraum angekündigt, wobei die eigentliche Bedrohung wahrscheinlicher in Form von Desinformation, Cyberangriffen und anderen Provokationen zu erwarten ist.“