Russland: Wächst der Unmut über den Kriegsverlauf?
Einerseits gilt der Sieg am Stahlwerk Asowstal als Teilerfolg für das russische Militär. Gleichzeitig häufen sich Anzeichen dafür, dass Russland seine Kriegsziele verfehlt, erhebliche Verluste hinnehmen muss und gebietsweise zurückgedrängt wird. Westliche Geheimdienste berichten, dass sich Putin verstärkt ins militärische Tagesgeschäft einmischt. Europas Presse eruiert den innenpolitischen Druck.
Nationalisten erhöhen den Druck
Niederlagen, wie die am Siwerskyj Donez, wo Dutzende Panzer zerstört wurden, lassen die Hardliner in Russland noch vehementer den Sieg über die Ukraine fordern, befürchtet Wpolityce:
„Sie bedienen sich der gleichen Großmachtrhetorik wie Putin, sie hassen die Ukraine genauso sehr und fordern ebenfalls die Fortsetzung des Krieges. Aber sie sehen, was die ganze Welt sieht und was die meisten Russen noch nicht sehen: den schrecklichen Zustand der russischen Armee, ihre katastrophale Führung und die demütigenden Niederlagen, die sich nicht länger verbergen lassen. Sie sind überzeugt, dass sie keine weitere Chance bekommen, wenn sie die Ukraine jetzt nicht besiegen. Deshalb werden sie immer lauter und entschlossener.“
Frust aus den eigenen Reihen
Heftige Kritik kommt aus einer unerwarteten Ecke, schreibt Nowaja Gaseta Ewropa:
„Igor Girkin-Strelkow, einer der Anführer der streng rechten, ultranationalistischen Kreise, meint [in sozialen Netzwerken] schon lange, dass die russische Operation in der Ukraine ein Krieg sei, in Sachen Kriegskunst sehr schlecht gehandhabt werde (was völlig richtig ist) und die Führung absolut inkompetent sei. In letzter Zeit spricht er davon, dass sich Putin immer öfter in die Führung der Truppen einmischt und selbst entscheidet, wohin dieses oder jenes Bataillon zu schicken sei. Putin hat keine militärische Ausbildung, er agiert und entscheidet aus dem Bauch heraus. ... Befehle des Präsidenten müssen die Kommandeure befolgen. Aus Angst können sie keine Inkompetenz kritisieren.“
Feldherr Putin scheitert wie einst Hitler
Wenn Berichte westlicher Geheimdienste stimmen, wonach Wladimir Putin persönlich mit Entscheidungen in die Kämpfe in der Ukraine eingreife, ist das nach Meinung von Denník N ein Zeichen von Schwäche:
„Ein gewisser Adolf Hitler hat sich einst genauso verhalten. Auch sein Feldzug verlief nicht nach seinen Vorstellungen, er vertraute seinen Generälen nicht mehr und mischte sich zunehmend vom Tisch seines Bunkers aus in deren Entscheidungen ein. ... Putin begeht jetzt denselben Fehler. Wenn er an sein Genie und seine Fähigkeit glaubt, eine Armee führen zu können, ist das auch ein klares Zeichen dafür, dass er sich der Probleme und Misserfolge bewusst ist. ... Sobald sich ein verängstigter Diktator einem solchen Mikromanagement nähert, hat der Rest der Welt Grund zum Optimismus.“
Kreml kann Asow-Soldaten vorführen
Die Gefangennahme von Mitgliedern des Asow-Bataillons könnte der Kreml als einen der eigenen Logik nach bedeutenden Sieg verkaufen, hebt Spotmedia hervor:
„Das Asow-Bataillon ist zum Symbol des ukrainischen Widerstands geworden, aber auch zu einem möglichen Ausweg für Putin. Die Hauptidee der Kreml-Propaganda, war die 'Denazifierung', mit der man die Invasion des Nachbarlandes gerechtfertigt hat. … Putin, der nicht sagen konnte, dass sich sein autoritäres Regime vom Liberalismus Kyjiws bedroht fühlt, hat die Theorie des ukrainischen Nazismus erfunden. Das Asow-Bataillon, das 2014 aus Freiwilligen gebildet wurde, die sich zum Kampf gegen die von Moskau unterstützten russischen Separatisten im Osten des Landes meldeten, ist zur 'Personifizierung des Nazismus' geworden.“