Vermittlungsversuche im Ukraine-Krieg

Der türkische Präsident Erdoğan hat sich erneut als Vermittler und Istanbul als Ort für Gespräche über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs angeboten. Nach Kanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron telefonierte auch Erdoğan mit dem russischen Staatschef Putin. Die Türkei sei zudem bereit, zusammen mit Russland, der Ukraine und den UN an einer Beobachtungsmission teilzunehmen. Kommentatoren macht das wenig Hoffnung.

Alle Zitate öffnen/schließen
Gordonua.com (UA) /

Aus russischer Sicht unmöglich

Erdoğans Vermittlungsversuch vom 30. Mai hat scheitern müssen, weil Putin keine Verhandlungen will, meint Vadym Denysenko vom Ukrainian Institute for the Future in einem von gordonua.com übernommenen Facebook-Post:

„Der gestrige Versuch Erdoğans, trilaterale Gespräche mit Putin und Selenskyj zu führen, war inhaltlich richtig, aber aus russischer Sicht unmöglich. ... Putin, so scheint es mir, will nicht, dass Erdoğan zum Friedensstifter wird und seinen regionalen Einfluss ausbaut. Und er träumt davon, von Biden gebeten zu werden, zu verhandeln. Machen Sie sich also keine Illusionen, dass Putin verhandlungsbereit sei. Derzeit zeigt er keine Verhandlungsbereitschaft.“

Il Manifesto (IT) /

Erdoğans Donbas

Erdoğan kann kein Vermittler sein, unterscheidet er sich doch kaum von Putin, wettert Il Manifesto:

„Jeder hat seinen eigenen Donbas. Für Erdoğan und die Türkei - seit 1952 eine Säule der Nato - heißen sie syrisches Rojava und irakisches Kurdistan, wo der Sultan dauerhaft Truppen stationiert und das Territorium anderer Staaten besetzt hat, ohne dass jemand auch nur eine Augenbraue zu heben wagte. ... Seit Mitte April führt die türkische Armee im Nordirak eine massive Operation gegen die Stellungen der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), aber auch gegen die Jesiden und die syrisch-kurdischen YPG-Milizen, und bombardiert Kobane, das Symbol des heldenhaften Widerstands gegen das Kalifat. “

Nowaja Gaseta Ewropa (RU) /

Furcht vor einer neuen strategischen Allianz

Nowaja Gaseta Ewropa erklärt das Drängen von Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz auf Verhandlungen mit Moskau mit deren Sorge um die Führungsrolle in der EU:

„Russland wird in Frankreich und Deutschland als nützliches Gegengewicht zum US-Einfluss betrachtet. Die USA sieht man dort nicht nur als Verbündeten, sondern auch als Konkurrenten. Außerdem fürchten Paris und Berlin die Bildung eines neuen strategischen 'Kerns' in Mittel- und Osteuropa auf Basis einer militärisch-politischen Union der Ukraine mit Polen, zu dem auch die baltischen Staaten und Rumänien stoßen könnten. In Falle eines ukrainischen Siegs könnte dieser Kern mit Unterstützung der USA und Großbritanniens die deutsch-französische Dominanz in der EU spürbar einschränken.“