Migranten sterben an spanischer Grenze
Bei einem Ansturm auf den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla sind am Freitag mindestens 23 Menschen gestorben. NGOs prangerten die Brutalität insbesondere des marokkanischen Grenzschutzes an. Der spanische Premier Pedro Sánchez lobte die funktionierende Zusammenarbeit der Behörden beider Länder. Kommentatoren sind erschüttert.
Zynische Heuchelei
Gegen Sánchez' Reaktion wettert Il Manifesto:
„Der sozialistische Regierungschef beeilte sich, die marokkanische Gendarmerie zu loben und ihr für die erfolgreiche Abwehr dessen zu danken, was er als einen organisierten Versuch eines gewaltsamen Angriffs auf die Staatsgrenzen bezeichnete. ... Weder der Zynismus einer Haltung, die von der zynischsten Realpolitik geprägt ist - der Notwendigkeit, die Beziehungen zum Regime von Mohammed VI. auf Kosten der Rechte des saharauischen Volkes zu festigen - blieb unbemerkt noch die Heuchelei, den verzweifelten Versuch vom Freitag als Angriff auf die territoriale Integrität Spaniens zu betrachten, während Madrid ohne zu zögern 100.000 ukrainische - weiße und christliche - Flüchtlinge aufnimmt.“
Einwanderungspolitik ändern
Der tragische Vorfall ist ein weiterer Beweis für das Scheitern der europäischen Migrationspolitik, klagt De Morgen:
„Mehr legale Migration könnte dem Kontinent vielleicht gelegen kommen, wenn er nicht will, dass die Bevölkerung überaltert und sich der Wohlstand auflöst. … Außerdem muss man auch mehr gegen die Gründe für Migration tun. Etwa durch die Stärkung des Handels mit ärmeren oder aufkommenden Ländern. Wenn wir keine Tomaten aus dem Maghreb wollen, müssen wir akzeptieren, dass die Menschen aus dem Maghreb selbst hierher kommen.“
Es steht schlecht um Europa
Dass Spaniens Premier Pedro Sánchez kein Wort des Bedauerns findet, sondern stattdessen die Sicherheitskräfte lobt, empört die Madrid-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung Karin Janker:
„Wie tief ist die Moral in Europa schon gesunken, dass ein linker, nach eigener Definition progressiver Politiker derart gefühllos über den Tod Unbewaffneter spricht? Dass er es gutheißt, wenn Grenzschützer halbtote und tote Menschen vor sich zu Haufen auftürmen, wie es Videomaterial von der Grenze in Melilla dokumentiert, und den Vorfall damit als 'gut gelöst' bezeichnet? Dass kein Wort des Mitgefühls über seine Lippen kommt? Es steht schlecht um Europa - und es sind nicht nur die erklärten Fremdenfeinde, die seine Werte zugrunde richten.“
Klimawandel und Hunger werden die Lage verschärfen
Es braucht transnationale Abkommen, um weitere Tragödien zu verhindern, fordert El País:
„Der Regierung ist es gelungen, nach dem Kräftemessen, zu dem sie Marokko herausgefordert hatte, die bilateralen Beziehungen wiederherzustellen. ... Sie kann jedoch nicht ignorieren, wie das Abkommen erfüllt wird, wenn es Hinweise auf schwere Menschenrechtsverletzungen gibt. ... Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernten in vielen Ländern und die Unterbrechung der Getreidelieferungen durch den Ukraine-Krieg bringen Millionen von Afrikanern südlich der Sahara in eine verzweifelte Lage, die sicher die Migrationsströme in Richtung Norden verstärken wird. ... Die Tragödie vom Freitag sollte Anlass sein, notwendige transnationale Mechanismen zu schaffen. Nur so kann man verhindern, dass sich so etwas wiederholt.“